Schule mit einem Schuß Unternehmergeist

■ Am Leibniz-Gymnasium in Gelsenkirchen renovieren Schüler und Eltern selbst, ein Laden erwirtschaftet Geld fürs Schuljubiläum. Kritik einiger Eltern: „Ihr spart der Stadt nur Geld“

Der junge Mann im blauen Overall hastet durch den Gang. Eine Flasche Terpentin in der rechten, wischt er sich mit der linken Hand einen prallen Klecks weißer Farbe von der Nase. Ein Handwerker? Keineswegs. Ein Schüler. Mit einem Dutzend Mitschülern streicht er heute den Geschichtsraum. „Hey, Maagareta“, plärrt der Ghettoblaster. Zwischen hochgestellten Stühlen, Farbeimern und Terpentinflaschen haben sich die Zwölftklässler zur Kaffeepause niedergelassen und sehen sich befriedigt an den weißen Wänden satt. „Macht schon Spaß hier“, sagt Sonja, „man bekommt einfach einen anderen Bezug zu seiner Schule.“

SchülerInnen renovieren ihre Schule selbst. Am Leibniz-Gymnasium im nordrhein-westfälischen Gelsenkirchen ist das längst Alltag. Seit zwei, drei Jahren, seit der Stadt das Geld ausgegangen ist, greifen Schüler, Lehrer und Eltern zu Pinsel und Farbrolle. Im Kunstunterricht bemalen schon die Kids aus der Unterstufe ihren Klassenraum: Bunte Häuser, Bäume, Kutschen. „Schule eigenständig zu gestalten, halten wir für ganz wichtig“, sagt Schulleiter Hermann Korte. „Nur so können sich die Schüler mit ihrer Schule identifizieren.“

Und nun, da im September der 30. Geburtstag des Gymnasiums bevorsteht, kommt der Schulhof an die Reihe. Er soll schöner, grüner, schülernäher werden. Erst der kleine, und wenn genug Geld zusammenkommt, auch der große Schulhof. Das haben bei der Vorbereitung des Jubiläums alle gemeinsam beschlossen: Schüler, Lehrer und Eltern. „Darauf kommt es an, denn was wir nicht als Schulgemeinde aller Beteiligten machen“, sagt Ulrich Schramma, Leiter der Orientierungsstufe, „ist von vornherein eine Totgeburt.“ Alle Gremien stimmten zu, machten Vorschläge zur Gestaltung. Kostenpunkt: rund 10.000 Mark. Das Ende des Projekts?

Es half der Keks. Oder besser: der Leibniz-Shop. Wie in einem Schaufenster liegen hinter einer weißgerahmten Glaswand ordentlich gestapelte T-Shirts, fingernagelgroße Metallsticker und rot- weiße Baseballkappen mit dem Logo der Schule: nicht etwa ein Porträt des alten Philosophen, sondern ein Leibniz-Keks à la Bahlsen. Eine Ecke sieht aus wie angeknabbert, weil das Schulemblem nicht den 52-zackigen Cracker des Konzerns kopieren durfte. Mittendrin eine Linde, das Stadtzeichen von Gelsenkirchen. Eltern vermittelten eine günstige Druckerei, Lehrer finanzierten die Herstellung vor. Mehr als 500 Sticker und 250 T-Shirts sind seit April über den Ladentisch des Leibniz-Shops gegangen – Schule mit einem Schuß Unternehmergeist.

Inzwischen glänzen hinter dem rotgeklinkerten Gebäude die einst grafittiverschmierten Pavillons der Unterstufe in weiß und grün, die Säulen der kleinen Pausenhalle leuchten blau, rot und gelb, robuste Kiefernbänke und allerlei Grünzeug werden demnächst hinzukommen. Drei Wochenenden haben Eltern und Schüler geackert, Farben besorgt, die Fassaden gerollt, später die Säulen gepinselt. Viele Eltern machten mit, andere aber sagten: Ihr spart der Stadt nur Geld! „Dabei schaffen solche Aktionen ein lockeres Klima“, findet Schramma. „Und die Schüler lernen Verantwortung.“

An der Wand der Pausenhalle im kleinen Schulhof zieht Tanja mit großem Schwung den Scheitel der Mona Lisa anno 96, modern gestylt mit schwarzem Techno- Shirt. Ihr Bild war eines von dreien, die im Schulwettbewerb im Mai unter Hunderten das Rennen machte. Nun überträgt es der Elfer Kunstkurs drei mal sechs Meter groß auf die Wand. „Man ist schon mächtig stolz“, sagt Tanja, „hier verewigt zu sein.“

Bis zur großen Jubiläumsfeier im September soll alles fertig sein. Dann will sich die Schule um Sponsoren bemühen, damit auch der große Schulhof, heute noch grau und trist, ein Teil der Schule wird, den Schüler mögen. Doch morgen wird es erst einmal auf dem kleinen Schulhof losgehen. Dann greifen die Schüler in die Farbeimer, um der Mona Lisa ihr verschmitztes Lächeln zu verleihen.