Spielzeug oder Verkehrsmittel?

■ Politiker tun sich schwer mit den Vorlieben der Jugend: Nur Grüne fordern, Bladern die Busspuren zu öffnen. Andere sehen in der neuen Art der Beförderung nur den Spaßfaktor

Politiker denken nicht so schnell, wie Inline-Skater durch die Straßen flitzen. „Bei uns sind die Rollschuhe noch nicht so ein Thema“, sagt Sabine Wolff, die Sprecherin von Verkehrssenator Jürgen Klemann (CDU). Für die Große Koalition, die sich aus ökologischen und ökonomischen Gründen immerhin zum Ziel gesetzt hat, eine Stadt der kurzen Wege zu verwirklichen, sind die schnellen Schuhe nur ein „Spaßfaktor“. Als Fortbewegungsmittel – etwa in Konkurrenz zum Zufußgehen oder zum Radfahren – nimmt die Verkehrsverwaltung an der Urania die Skistiefel mit drei, vier oder fünf Rollen unter der Sohle nicht ernst.

„Wenn einer lieber läuft, sollte er laufen“, sagt Sprecherin Wolff hochdemokratisch. Doch irgendwie wird man bei ihr den Eindruck nicht los, ihr wäre es am liebsten, Rollerskater in den Wald zu verbannen. Die Blader seien auf Fußwegen zu schnell, auf Radwegen zu langsam, auf der Straße zu gefährlich, „und sie auf der Busspur fahren zu lassen ist nicht so unsere Sache“.

Im Abgeordnetenhaus, das am Donnerstag vor der Sommerpause das letzte Mal regulär tagte, sorgte das Thema Rollerblades am Rande für mehr Gesprächsstoff als etwa das Mißtrauensvotum gegen Wirtschaftssenator Pieroth. „Die Dinger sind doch gemeingefährlich“, meinte die verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Käthe Zillbach. Deshalb habe sie auch keine, „ich bin doch nicht bekloppt“, sagte sie am Tisch der Caféteria „Kasino“.

Doch die spitzen Rollschuhe treiben sofort einen Keil in ihre Fraktion, die sich auch bei anderen Themen an der Frage, ob sie sich lieber für Neuartiges engagiert oder statt dessen besser Altbekanntes verteidigt, gerne spalten läßt. In der Runde von Sozialdemokraten am Kasinotisch spricht sich Marianne Brinckmeier, Vizepräsidentin des Arbeitgeordnetenhauses, spontan dafür aus, die Busspuren für Leute mit Sauseschritt zu öffnen: „Mann, Käthe, dat wär doch mal wat Neues.“ Die Grünen wiederum begreifen die Chancen der Fußräder sofort. „Ich find die Schuhe stark“, sagt der verkehrspolitische Sprecher Michael Cramer. Seinem siebenjährigen Sohn Roman habe er sie im Januar zum Geburtstag geschenkt. Für den Sportlehrer ist selbstverständlich, daß Rollerskatern die gleichen Rechte einzuräumen sind wie Radfahrern. Cramer ist sich allerdings nicht sicher, ob sie später einmal in der Verkehrspolitik eine so wichtige Rolle spielen werden wie heute das Fahrrad. Vielleicht sei es nur eine Modewelle.

Cramers Kollege von der CDU, Alexander Kaczmarek, findet völlig abwegig, über das Thema zu reden: „Bitte, was?“ Auf die Vermutung, daß er das Fußgerät nicht kennen würde, zeigt er sich allerdings informiert. Das seien doch „die Dinger“, die sich seine Tochter „immer wünscht“ und die er der Elfjährigen bis heute nicht gönnt. Dann fragt er erstaunt: „Was hat das mit Verkehrspolitik zu tun?“ Da ist seine Fraktion in Bonn dann doch ein Stückchen schneller – wenn sicher auch nicht im Sinne fortschrittlicher Verkehrspolitiker. In der vergangenen Woche forderte ein christdemokratischer Bundestagsabgeordneter, Inline-Skater zu einem Fahrzeug erklären zu lassen, um deren Fahrer nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) etwa bei der Verletzung von Vorfahrtsregeln bestrafen zu können.

Die PDS versucht im Gegensatz zur CDU wenigstens zur Verbreitung der Skater beizutragen. Die verkehrspolitische Sprecherin Jutta Matuschek will ihrem elfjährigen Sohn im nächsten Monat ein Modell von um die 60 Mark schenken. Für die Diplompolitologin handelt es sich aber genauso wenig um ein ernstzunehmendes Verkehrsmittel wie für Verkehrssenator Klemann und ihre Kollegen von SPD und CDU. Und wenn sich die Rollerblades tatsächlich nicht durchsetzen sollten, so sorgen sie doch mehr als andere Themen dafür, wenigstens Parteien unterscheidbar zu machen. Dirk Wildt