Der Fußball bedient sich bei der Wohlfahrt

■ Während Portugal um EM-Ehren kämpft, geht es daheim drunter und drüber

Lissabon (taz) – Portugals Ministerpräsident António Guterres ist Sozialist und Katholik. Er geht jeden Sonntag zur Kirche, und zweimal im Jahr, so sagt er, beichtet er seine Sünden. Sein Beichtvater heißt Padre Vitor Melicias. Guterres nimmt ihn auch auf Auslandsreisen mit, und böse Zungen behaupten, der Pater habe auf den Ministerpräsidenten mehr Einfluß als seine politischen Berater. Doch solche Behauptungen hat Guterres nun klar widerlegt. In Sachen Fußball pfeift der Regierungschef auf die frommen Sprüche des Geistlichen. Denn Profi-Fußball hat bekanntlich mit viel Geld zu tun, und beim schnöden Mammon, in diesem Fall Fußball-Toto genannt, endet der Einfluß des Paters.

Melicias ist auch Vorsitzender der Vereinigung der caritativen Einrichtungen in Portugal. Deren Haushalte wurden bisher zu einem erheblichen Teil aus den Erlösen des Fußball-Totos gedeckt. Doch damit ist nun Schluß. Künftig soll das Geld hundertprozentig den Fußballvereinen zugute kommen. Mit Mildtätigkeit haben die zwar gar nichts zu tun, dafür sind sie hoch verschuldet. Ein Regierungs- Dekret sieht vor, daß sie mit der einen Hälfte des Toto-Profits ihre Schulden beim Fiskus tilgen sollen. Über die andere Hälfte können sie völlig frei verfügen.

Beim Fiskus und bei der staatlichen Sozialversicherung stehen die portugiesischen Profivereine mit insgesamt 150 Millionen Mark in der Kreide. Und während die im Oktober abgewählte liberal-konservative Regierung gar das Stadion des FC Porto pfänden ließ, um die Schulden des Vereins einzutreiben, kommt die neue, sozialistische Regierung den Klubs mit einem versteckten Schuldenerlaß entgegen. So sehen es jedenfalls die Oppositionsparteien. Sie sprechen von einem „Skandal“.

Und auch Pater Melicias ist indigniert: „Viele Leute werden aufhören mit dem Totospielen, wenn das Geld nur für die Vereine bestimmt ist. Denn sie sagen: Die Spieler verdienen ein Vermögen, und für den Kauf neuer Fußballer geben die Vereine Unsummen aus. Warum sollen wir das bezahlen?“ meint Melicias.

Doch in Portugal ist der Fußball eine Macht. In Wahlkämpfen ist die Unterstützung von Vereinspräsidenten und Starspielern bei den Parteien hoch willkommen. Eine Reihe von Vereinschefs machen als Bürgermeister oder Parlamentsabgeordnete auch direkt Politik. Und die Hunderttausende von Fans sind ein großes Wählerpotential. „Es gibt eine große Angst der Politiker vor den Vereinen und Vereinspräsidenten“, sagt denn auch der Vorsitzende der oppositionellen Volkspartei, Manuel Monteiro. „Die politische Macht beugt sich der Macht der Präsidenten und Ligachefs.“

Jorge Coelho, Staatsminister beim Ministerpräsidenten, versteht die ganze Aufregung jedoch nicht und hat eine ganz einfache Erklärung für den Schuldenerlaß parat: „Ohne die Fußballklubs gäbe es auch kein Fußball-Toto.“ Also hätten sie auch ein Recht auf den Reibach. Den caritativen Einrichtungen will die Regierung die verlorenen Toto-Gewinne direkt aus dem Staatssäckel ersetzen.

Hoch zufrieden sind die Fußball-Bosse. Für sie bekommt der Toto-Werbeslogan einen ganz neuen Klang: „Einfach, billig, bringt Millionen.“ Theo Pischke