: Abwahlantrag für Abrißstadträtin Albinus
■ Friedrichshain: PDS-Baustadträtin Albinus wurde die „goldene Abrißkugel“ verliehen
Pünktlich um 10.15 Uhr wurde er gestern in der Rigaer Straße in Friedrichshain enthüllt: ein Galgen, an dem eine goldene Abrißbirne hängt. Ein Wanderpokal soll es werden, versprach die baupolitische Sprecherin der Bündnisgrünen, Barbara Oesterheld. Preisverdächtig für die goldene Abrißkugel seien all jene Politiker, die sich „besonders um den Abriß von Häusern in der Stadt verdient gemacht haben“. Ein hoher Anspruch ist das, doch die erste Preisträgerin hatte wenig Mühe, ihn zu erfüllen. Die Abrißbirne 1996 geht an Martina Albinus, die für die PDS als Baustadträtin in Friedrichshain amtiert.
Außerdem wird in der heutigen BVV-Sitzung auf Antrag des Bündnisses Friedrichshain abgestimmt, ob Albinus abgewählt wird. Was das Bündnis Friedrichshain, aber auch zahlreiche Vertreter der bündnisgrünen Abgeordnetenhausfraktion empört, ist in der Tat ein seltener Fall von „Politikerverdienst“. Martina Albinus, bekannt für ihr offenes Ohr gegenüber Investoren, hat den Abriß der Rigaer Straße 27 genehmigt, obwohl die BVV sich ausdrücklich für den Erhalt des Gebäudes ausgesprochen hat.
Die Skandalchronik der Rigaer Straße liest sich wie ein Tollstück aus den Kreuzberger Abrißzeiten der 70er Jahre. Da gibt es einen Investor, die Bayerische Hausbau, die das Haus gerne abreißen möchte. Dem „gegenüber“ steht ein Bezirksamt, das in einem Neubauprojekt des Investors gerne als Mieter unterkommen möchte. Also beginnt der Investor mit dem Abriß, noch bevor er eine Genehmigung hat. Durch eine kurzzeitige Besetzung aufgeschreckt, verhängt die Baustadträtin zwar einen kurzfristigen Abrißstopp, erteilt dann aber, entgegen dem erklärten Willen der BVV, dem Eigentümer die begehrte Abrißgenehmigung. Ihre Begründung: Sie hätte nach dem Baugesetzbuch gar nicht anders entscheiden können.
Für den Friedrichshainer Bündnisabgeordneten Peter Schoof eine glatte Schutzbehauptung. Andere Stadträte in anderen Bezirken hätten mehrfach gezeigt, wie man, wenn man nur wolle, einen solchen Abriß verhindern kann. Schoof befürchtet nun, daß andere Eigentümer dem Beispiel der Bayerischen Hausbau nacheifern könnten. In der Tat ist Albinus' Genehmigung eine Lizenz zum Abriß, weil ihr noch nicht einmal eine Wirtschaftlichkeitsberechtigung zugrunde liegt.
In den seltenen Fällen, in denen ein Eigentümer nach der (in anderen Bezirken üblichen) Versagung einer Abrißgenehmigung vor Gericht zog, verlangten die Richter vom Eigentümer den Nachweis, daß er sein Gebäude im Falle einer Instandsetzung mindestens zehn, zumeist aber 15 Jahre lang nicht hinreichend wirtschaftlich verwerten könne. Ein schier unmöglicher Nachweis, der den Berliner Altbaubestand bisher jedenfalls vor dem Abriß aus Profitgründen gerettet hat.
Daß nun ausgerechnet eine PDS-Stadträtin im vorauseilenden Gehorsam dem Abriß eines gut erhaltenen Gebäudes zugestimmt hat, will das Bündnis Friedrichshain nun bestraft wissen. Auf der heutigen Sitzung der BVV wird über einen Abwahlantrag gegen Albinus abgestimmt.
Die SPD hat bereits signalisiert, dem Antrag, der eine Zweidrittelmehrheit der Abgeordneten benötigt, zuzustimmen. Zwar hat sich die Friedrichshainer PDS als stärkste Fraktion in einer Presseerklärung hinter ihre Baustadträtin gestellt. Hinter den Fraktionskulissen freilich ist Albinus ebenso umstritten wie beim PDS-Landesverband. Kritik an Albinus hatte auch der PDS-Abgeordnete Bernd Holtfreter geübt, der sich bereits zu DDR-Zeiten gegen den Abriß von Altbausubstanz eingesetzt hatte. Uwe Rada
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