Reportage bei Tee und Pfannkuchen

■ Gerd Ruge war wieder unterwegs: „Wahlen an der Wolga“, ARD, 21.45 Uhr

Noch vier Tage. Und alle bewegt die Frage: Was fühlt die „russische Seele“? Oder besser: Wie wird sie wählen am Sonntag? Der Mann, der solche Fragen seit jeher wenn schon nicht am besten beantworten, so doch am charmantesten stellen kann, ist Gerd Ruge. Seit 20 Jahren zeigt er uns nun schon die tausend Gesichter Rußlands.

Diese seine elfte „Unterwegs“- Sendung nach dem Ausscheiden aus dem WDR liegt in der Mitte einer „russischen Woche“ des WDR-Fernsehens und -Hörfunks. Ruge suchte die Extreme an der Wolga – und fand sie einerseits in Uljanow, das nach seinem berühmtesten Sohn Lenin so heißt und wo die alte Politik besonders stark ist; andererseits in Nischnij Nowgorod, weiter nördlicher, wo ein junger Refomer regiert, der im Film gerade mit NRW-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) zugange ist. Hundert Stimmen, hundert Meinungen: Das Bild ist keineswegs so homogen, wie Ruge erwartet hätte. Manche alte Leute wählen Sjuganow, manche Jelzin, damit sich nichts ändert; manche Junge wählen Jelzin oder auch nicht, weil sich nichts geändert hat. Schuldirektoren wohnen in schäbigen Wohnblocks, Arbeitslose pflügen ihren Garten um, Fabrikbesitzer hocken auf Schuldenbergen, und Lokalpolitiker finden stets die rechten Worte.

Es gibt Tee und Pfannkuchen für den Reporter, den die Leute stets ihn wie einen alten Bekannten behandeln. Wir wissen bald, daß sie nichts wissen, aber das eben aus erster Hand. Kaum besser dürfte es den anderen Rußlandexperten des WDR gehen, die über die Wahlen mit dem so unsicheren Ausgang berichten: Sonia Mikich, Studioleiterin in Moskau, ihr Vorgänger Thomas Roth, außerdem Exkorrespondent Klaus Bednarz und Jürgen Thebrath vom „Weltspiegel“. Oliver Rahayel