Am Vertrag „gezuppelt“

■ Sachsens Kurt Biedenkopf reaktiviert die leidige Gebührendiskussion

Vor drei Monaten hatten sich die Ministerpräsidenten in Berlin mühsam auf die Grundzüge eines neuen Rundfunkstaatsvertrags geeinigt, jetzt ist schon wieder Schluß mit schönen Worten. Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf will morgen bei der Tagung der Länderchefs in Bonn die Diskussion um die Rundfunkgebührenerhöhung erneut entfachen.

Eigentlich sollte es bei der Sitzung lediglich um den Feinschliff gehen, letzte ungeklärte Details zum Rundfunksstaatsvertrag sollten besprochen werden, damit dieser kurz nach der Sommerpause verabschiedet werden kann. Und damit ARD und ZDF vom Januar an endlich das dringend benötigte Gebührenplus von 4,45 Mark erhalten. Statt dessen steht der Konsens nun wieder zur Disposition.

Dabei ist der Vorstoß des sächsischen CDU-Ministerpräsidenten keineswegs neu – ebensowenig wie die Begründung: Seine Ossis verdienten schließlich immer noch weniger als die Altbundesbürger. Doch Biedenkopf will nicht nur die Sachsen finanziell schonen, sondern gleich einen bundesweiten Gebührenabschlag. Gegenüber der taz sagte sein Sprecher Michael Sagurna: „Wir wollen die Gebühren insgesamt noch etwas herunterdrücken.“ Begründung: Projekte wie der Parlamentskanal oder das digitale Radio, die in der Gebührenerhöhung berücksichtigt sind, würden noch nicht zum 1. 1. 1997, dem Termin der Anhebung, anlaufen.

Dabei darf Biedenkopf, der die ungeliebte ARD schon seit längerem über die Gebühren stutzen will, ebensowenig wie die Runde der Regierungschefs den Rundfunk-Obolus nach Gusto festsetzen. Verbindlich sind diesbezüglich die Empfehlungen einer extra gebildeten Kommission, die den Finanzbedarf von ARD und ZDF feststellt. Das Bundesverfassungsgericht entschied in einem Gebührenurteil, daß diese Empfehlung nur unterschritten werden darf, wenn sie zu sozialen Härten führt. Damit wollten die Richter verhindern, daß über die Gebührenfestsetzung Politik gemacht wird. So wie jetzt.

Biedenkopfs populistischer Vorstoß ist in Anbetracht der rechtlichen Lage also eher Teil eines Reigens, den Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsminister Wolfgang Clement mit der Diskussion um die Konzentrationsgrenzen auf dem Kölner Medienforum eröffnet hat (siehe taz vom 7.6.).

Wo das Faß nun schon einmal aufgemacht ist, wollen alle noch einmal Position beziehen. Und dazu scheinen sich genau die Standpunkte zu eignen, die man bei der Kompromißfassung längst abgehandelt hatte. Was bei Clement großzügige Konzentrationsregelungen für die Privaten sind, das ist bei Biedenkopf das Beschneiden der ARD-Finanzen.

Und die SPD-Gegenseite? „Alle wollen zuppeln“, so der Kieler Staatskanzleichef Klaus Gärtner zur taz, „wir zuppeln nicht.“ Doch auch Gärtner hat am Wochenende eine „Klarstellung“ ausgegeben. Tenor: Wenn der Konsens der Ministerpräsidenten weiter aufgeweicht werde, dann müsse eben der alte Staatsvertrag weiter gelten – und damit dessen strengere Konzentrationsvorschrift. Eine unverhohlene Drohung an die Medienunternehmen und deren politische Förderer.

„Ein Wechselbad“, nennt Jutta Lowag, Verwaltungsdirektorin des Bayerischen Rundfunks, die leidige Diskussion. „Daß die jetzt die Zeit haben, einmal geschlossene Vereinbarungen wieder in Frage zu stellen.“ Dabei, fügt sie zu Biedenkopfs Vorstoß an, „gelten die Ostdeutschen in der ARD als besonders ehrliche Gebührenzahler.“ Lutz Meier