Das Portrait
: Der Ex-Politiker

■ Peter Glotz

Peter Glotz, so erzählen Freunde, stehe jeden Morgen um vier Uhr auf. Noch vor dem Frühstück spreche er einen langen Text ohne Punkt und Pause in sein Diktaphon. Wenn seine Sekretärin dann um acht erscheint, tippe sie das Gehörte ab und faxe es, ohne daß Glotz es noch mal überflogen habe, an eine der vielen Zeitungen, die mit ihm einen Autorenvertrag haben – vorzugsweise an die Woche. Anschließend beginne er sein Tagwerk, das in der Nacht ende. Mit diesem anstrengenden Leben soll jetzt Schluß sein.

Gestern erklärte der umtriebige, 57jährige SPD-Politiker seinen Abtritt von der Bonner Bühne. Sein Amt als Sprecher der SPD für bildungs- und forschungspolitische Fragen wolle er noch vor der Sommerpause loswerden, sein Bundestagsmandat im September. 26 Jahre war er Parlamentarier, jetzt gehe er „ohne Groll“. In Zukunft wolle er gesund leben und seine Kräfte auf „einige wichtige Projekte konzentrieren“. Was den Schluß zuläßt, daß die Bonner Politik ungesund ist und unwichtig geworden ist. Demonstrativ ließ er sich bei seinem Abschiedscoup von seiner jungen Frau begleiten. Die Entscheidung über seine weitere Lebensplanung habe er gemeinsam mit ihr gefällt. Jetzt möchte Peter Glotz ein Buch über sein Geburtsland Böhmen schreiben und sich „verstärkt“ wissenschaftlich betätigen. Nur den Sitz im SPD- Präsidium möchte er noch nicht aufgeben und ebenfalls nicht seinen Job als Vorstandsvorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung. Die Gerüchte, daß er einen lukrativen Posten beim Bertelsmann Verlag annehmen wolle, dementierte er.

Peter Glotz ist immer ein umstrittener Politiker gewesen, einer, der mit Begeisterung sozialdemokratische Tabus brach und dem brave Parteiarbeiter „intellektuelle Überfliegerei“ und, noch schlimmer, „Solo-Auftritte“ vorwarfen. Peter Glotz war immer schnell Ex. Ex- Bildungsstaatssekretär, Ex- SPD-Bundesgeschäftsführer, Ex-Wissenschaftssenator in Berlin. Zuletzt sorgte der zukünftige Ex-Parlamentarier mit seiner Forderung nach Einführung von Studiengebühren für Ärger. Oskar Lafontaine erklärte erst vor ein paar Tagen, daß „Studiengebühren und Bafög-Zinsen mit der SPD nicht zu machen seien“. Gefragt, ob die ständigen Sticheleien seiner Parteigenossen Grund für den Rücktritt seien, antwortete Glotz gestern: „Dann hätte ich schon vor 25 Jahren zurücktreten müssen.“ Anita Kugler