Lieber Euro statt Peseta

■ Jose Maria Aznar will mit Steuererleichterungen Spaniens marode Wirtschaft kräftig ankurbeln. Als guter Europäer stellte er sich gestern bei Helmut Kohl vor

Madrid (taz) – Der Gang nach Bonn dürfte Spaniens neuem Regierungschef José Maria Aznar alles andere als leichtgefallen sein. Denn als er noch die Oppositionsbank drückte, hatte Helmut Kohl ihn immer wieder auflaufen lassen. Schließlich verpflichtet Freundschaft – und die pflegte der Bundeskanzler nicht mit dem Chef der konservativen Partido Popular (PP), sondern mit dem Sozialisten Felipe González. Um Kohl zu beweisen, daß er und seine Riege genauso treue europäische Bündnispartner sind wie einst die Sozialisten, ist Aznar gestern mit seinem noch schnell verabschiedeten Wirtschaftsprogramm nach Bonn gereist.

Das Ziel: die Konjunktur ankurbeln und vor allem dabeisein, wenn in 18 Monaten der Startschuß zum Euro fällt. In der momentanen Haushaltslage erfüllt Spanien nicht die Maastricht-Kriterien. Aznar hat daher schon mal die Haushaltsausgaben um 2,5 Milliarden Mark gesenkt – 40 Prozent davon entfallen allein auf das Amt für öffentliche Bauvorhaben. Die neue spanische Regierung hat bereits öffentlich gefordert, „die Uhren anzuhalten“ und die Einheitswährung zu verschieben.

Kernstück des konjunkturfördenden neuen Wirtschaftsprogramms bilden Steuererleichterungen. Kleine und mittelständische Unternehmen wurden besonders bedacht. So müssen Familienunternehmen 95 Prozent weniger Steuern als bisher zahlen, wenn der Betrieb an die nächste Generation weitergeht. Geben sie oder andere Betriebe über 45jährigen Arbeitslosen einem unbefristeten Vertrag, bekommen sie einmalig 12.500 Mark von der Regierung als Steuergeschenk.

Die Abgaben auf Spekulationsgewinne bleiben künftig gleich. Bisher sank die Steuer, je länger ein Objekt den gleichen Besitzer hatte. Diese Regelung habe den Immobilien- und Grundstücksmarkt gehemmt, sagt Wirtschaftsminister Rodrigo Rato. Auch die rund 3,5 Millionen Anleger der diversen Immobilienfonds werden künftig niedrigere Steuern zahlen.

Ratos Kollege im Industrieministerium, José Pique, setzt ebenfalls auf Privatinitiative. Er will die staatliche Telefongesellschaft Telefónica, das Energieversorgungskonsortium Fenosa und die Tankstellen und Rohölgeschäft der lukrativen Repsol verkaufen. Die sozialistische PSOE von Felipe González schätzt, daß die Mindereinnahmen durch die Steuersenkungen jährlich 3,6 Milliarden Mark ausmachen wird. Gewerkschaften rechnen gar mit dem Doppelten. Sie drohen der Regierung bereits, die Verhandlungen über einen Beschäftigungspakt mit der Regierung platzen zu lassen. Rainer Wandler