Ministerinnen für Randgruppen

■ Das Bundesfrauenministerium wird zehn Jahre alt. Einen Anlaß zur Geburtstagsfeier gibt es jedoch nicht

Berlin (taz) – In vielen Ländern sind Frauenministerien entstanden, weil Feministinnen sie sich gegen die Konservativen erkämpften. Anders in der Bundesrepublik: Hier legte sich 1986 die Modernisiererfraktion der Konservativen ins Zeug, um ein Frauenministerium einzurichten, allen voran CDU-Generalsekretär Heiner Geißler. Ein Jahr zuvor hatte er sein Amt als Jugend-, Familien- und Gesundheitsminister Rita Süssmuth übergeben. „Geißlers Geheimwaffe für den Wahlkampf“ nannte sie die Emma. „Die effektvollste Propagandistin der Frauensache seit Alice Schwarzer“, wußte der Spiegel.

Mittlerweile sind die Modernisierer in der Regierung längst abgemeldet. Kanzler Kohl und seine Frauenministerin Nolte hätten gut daran getan, den zehnten Geburtstag des Ministeriums gestern nicht zu feiern, sondern die frauenpolitische Bilanz ihrer Amtszeit seit der letzten Bundestagswahl unter den Teppich zu kehren. Nolte konnte keines der Versprechen, die sie auf der Weltfrauenkonferenz gegeben hatte, erfüllen. Im Gegenteil, kurz nach Peking, im Herbst 1995, legte die Bundesregierung als einziges EU-Land ein Veto gegen das europäische Frauenförderprogramm ein. Daraufhin wurde es gründlich abgespeckt. Zwar verabschiedete die Regierung Kohl endlich ein Gesetz, das erstmals die Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe stellt, doch bietet es Ehemännern immer noch Sonderrechte – auch nach Vergewaltigungen.

Vor allem aber das sogenannte Bonner Sparpaket hat gezeigt, daß Frauenrechte bei der Regierungskoalition an allerletzter Stelle stehen. Das eigentliche Versagen der Frauenministerin liegt darin, daß sie nicht einmal gegen diese Politik protestierte. So will die Regierung die Erhöhung des Kindergeldes verschieben, was angesichts des geringen Kindergeldbetrages öffentlich kaum Empörung hervorrief. Die Heraufsetzung des Rentenalters für Frauen löste schon mehr Widerstand aus. Einige Abgeordnete der CDU schlugen daraufhin vor, Mütter für jedes Kind ein Jahr früher in Rente gehen zu lassen. Abkindern nannte man das in der DDR.

Das Ausspielen von Müttern gegen kinderlose Frauen hat Tradition. Die Gründung des Frauenministeriums vor zehn Jahren fiel genau in die Zeit, als in der Frauenbewegung der Streit um die „Mütterfrage“ tobte. Die „neue Mütterlichkeit“ gipfelte in dem „Müttermanifest“ von 1987, das die Bewegung spaltete: Hier die Aktivistinnen – meist kinderlos, dort die Mütter, die eine Gesellschaft forderten, „die Kinder an der Hand zulassen soll“. Das paßte ins Klima der neuen CDU-Politik, die die Frauen und Familie für sich entdeckt hatte.

Heute bedeutet Modernisierung für die Regierung, konservative und traditionelle Familien- und Gesellschaftswerte mit moderner Wirtschaft zu verknüpfen. Mikrochip und Trachtenjacke – die Frau dort, wo Männer sie gern haben: Etwa im Frauenministerium. Aus Spargründen wurde nach der letzten Bundestagswahl das Ministerium für Familie und Senioren mit dem für Frauen und Jugend zusammengelegt. Dieses „Randgruppenministerium“ heißt nun „BM FSFJ“. Doch auch in Randgruppen gibt es Hierarchien: Während das Ressort Familie mit 30 Milliarden Mark ausgestattet ist, stehen dem Ressort Frauen gerade mal 26 Millionen zu.

Durch die Ernennung von Claudia Nolte rächte sich Kohl nachträglich an Rita Süssmuth, die es als erste Frauenministerin entgegen allen Erwartungen schaffte, sich politisch zu profilieren. Von den Zielen, die sie bei ihrem Amtsantritt vor über zehn Jahren nannte, ist jedoch keines erreicht: An erster Stelle stand damals die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Süssmuth selbst ist inzwischen feministischer geworden: Heute fordert sie die Quotierung innerhalb der CDU. Doch ihre Partei ist noch immer nicht so weit: Im letzten Jahr fiel selbst ein kleines CDU-Frauenquorum durch. Karin Gabbert