Warum ist in den neuen Ländern der Strom teurer?

■ Ostdeutsche Kommunen kämpfen erneut gegen westdeutsche Stromkonzerne

Berlin (taz/dpa) – David kämpft im Osten erneut gegen Goliath. Wie schon vor ein paar Jahren ziehen die Kommunen aus den neuen Bundesländern in den Kampf gegen die westdeutschen Stromkonzerne. Die ostdeutschen Stadtwerke sehen nicht ein, daß sie ihren Kunden deutlich höhere Strompreise als im Westen abknöpfen müssen.

Der Grund für die im Osten durchschnittlich zwei Pfennig teurere Kilowattstunde: Die Veag, hinter der vor allem die westdeutschen Energiegiganten PreussenElektra, Bayernwerk und RWE stehen, liefert ihren 70-Prozent- Anteil an der ostdeutschen Stromversorgung zu „überhöhten Preisen“. Zu diesem Schluß kommen jedenfalls zwei im Auftrag des Verbandes Kommunaler Unternehmen (VKU) erstellte Gutachten.

VKU-Mann Jürgen Zenke kündigte gestern in Berlin an, erste Klagen würden „nicht mehr lange auf sich warten lassen“. Die Stadtwerke versprechen sich davon vor allem, daß die Veag ihre Kostenrechnung offenlegen muß. Denn nach Auffassung der Gutachter hat die Veag allein zwischen 1991 und 1994 rund 2,6 Milliarden Mark zuviel abkassiert – und im selben Zeitraum ihr Eigenkapital von 800 Millionen auf 5,5 Milliarden Mark erhöht.

Die so Gescholtene bestreitet den Vorwurf, durch zu hohe Strompreise Gewinne gemacht zu haben. So sei „weder in der Vergangenheit noch in der näheren Zukunft auch nur eine Mark Dividende an die Aktionäre gezahlt worden“. Alle Finanzkraft sei vielmehr in die Umsetzung des 20 Milliarden Mark teuren Investitionsprogramms gesteckt worden. „Offenbar soll von eigenen, hausgemachten Preisproblemen und anderen Problemen der Städte abgelenkt werden.“

Der höhere Strompreis in Ostdeutschland sei vor allem eine Folge der notwendigen Investitionen sowie der wirtschafts- und sozialpolitisch gewollten Braunkohleverstromung. Die hatte die De- Maizière-Regierung schon im Stromvertrag von 1990 festgeschrieben. Bei der endgültigen Privatisierung 1994 bestand die Treuhand darauf, die Veag nur im Paket mit der Lausitzer Braunkohlen AG abzugeben. Mit den Gutachten, so die Veag, verweigerten die Stadtwerke „den in der Braunkohle beschäftigten Menschen jede Zukunftsperspektive“.

Nach Ansicht der VKU ist das Argument einer vorgeschriebenen Braunkohleverstromung nur Vorwand für die höheren Preise. Es könne nicht sein, daß der Ost- Stromkunde die Braunkohle subventionieren müsse. Die Stadtwerke wollten die im sogenannten Stromkompromiß vereinbarte Regelung einhalten, nach der 70 Prozent der Stromerzeugung auf Braunkohlebasis und 30 Prozent auf Eigenerzeugung basieren. Wenn sich allerdings Wirtschaftsminister Rexrodt in der EU durchsetze, dann seien politische Auflagen zugunsten eines Energieträgers sowieso als wettbewerbsfeindlich einzuschätzen. Das Bundeskartellamt hatte sich jüngst auf die Seite der Veag gestellt: Man könne ihr keinen Preismißbrauch aufgrund der teureren Braunkohleverstromung sowie der Erneuerung des Kraftwerksparks vorwerfen. Der VKU hofft nun, daß die Wettbewerbshüter durch die Lektüre der beiden Gutachten umgestimmt werden. aje