Opfer einer "niederträchtigen Intrige"?

■ Oper: Johannes Schaaf schmeißt hin / Albin Hänseroth übernimmt wahrscheinlich die künstlerische Leitung

Mit einem lauten Schrei aus der Ferne verabschiedet sich Johannes Schaaf vom Hamburger Parkett. In einem Brief, den die Kulturbehörde am Dienstag erhielt, erklärt der Regisseur, er stehe für die Intendanz der Hamburg Oper ab 1997 nicht mehr zur Verfügung. Schaaf, der seinen Vertrag bis jetzt noch nicht unterschrieben hatte, erklärte gegenüber der taz, er sei Opfer einer „niederträchtigen Intrige“. Schaaf unterstellt dem zweiten zukünftigen Geschäftsführer Albin Hänseroth sowie dem zukünftigen Generalmusikdirektor (GMD) Ingo Metzmacher Ränkeschmiederei, Vertrauensbruch und Illoyalität und äußert sich „fassungslos“ über eine angebliche Komplizenschaft der Kultursenatorin Christina Weiss. Hänseroth und Metzmacher, ursprünglich Schaafs „Wunschteam“, hätten angeblich die Zeit seiner Krankheit – Schaaf hatte am 6. November einen „Zusammenbruch“ und lag danach 4 Wochen im Krankenhaus – „zur persönlichen Machterweiterung genutzt“.

In den letzten Monaten hatte es ernstliche Auseinandersetzungen zwischen Metzmacher und Schaaf über die künstlerischen Leitlinien der zukünftigen gemeinsamen Arbeit gegeben. Angeblich hätten Hänseroth und Metzmacher nun versucht, so der Tenor von Schaafs Brief, den er in abgewandelter Form auch an die Presse gegeben hatte, in seiner Abwesenheit die künstlerische Gesamtplanung an sich zu reißen. Dazu hätten sie die Senatorin gedrängt, ihn vor die Alternative zu stellen, „ich müsse entweder die beiden zur Versöhnung mit mir bewegen, oder demissionieren, am besten aus gesundheitlichen Gründen.“

Christina Weiss bestätigte gestern zwar, daß sie nach den tiefen Zerwürfnissen zwischen Schaaf und Metzmacher dem designierten Intendanten erklärt habe, daß ein derartiges Team „gut oder gar nicht“ zusammenarbeiten müsse und daß sie ihm auch die angesichts seiner Krankheit und seines Alters – Schaaf ist 61 – „berechtigte Frage“ gestellt habe: „Können Sie das wirklich noch?“. Dennoch empfindet sie Schaafs Entscheidung angesichts der Tatsache als „überstürzt“, daß für nächsten Mittwoch ein klärendes Gespräch zwischen Schaaf, Metzmacher und Hänseroth geplant gewesen ist. Die Ursachen für den Streit sieht die Senatorin in „massiven Mißverständnissen über die Definition von Team-Arbeit“. Anscheinend habe Schaaf nicht realisiert, daß die drei Opernleiter vertragsmäßig „absolut gleichberechtigt“ seien.

Schaaf, der momentan im Urlaub im Allgäu weilt, hält dies für eine „infame Unterstellung, ja für einfach gelogen. Genau das Gegenteil ist der Fall“. Auslöser seines Streites mit Metzmacher sei eine einsame Entscheidung des Dirigenten gewesen, wer zukünftig Orchesterdirektorin werden solle. Auf sein Ansinnen hin, die Frau kennenzulernen, habe ihm Metzmacher geantwortet, das bräuche er nicht, das sei alleine seine Entscheidung. Auch über die Arbeit des Orchesters habe Metzmacher plötzlich alleine entscheiden wollen und außerdem hätte man versucht, seinen Chefdramaturgen Wolfgang Willaschek aus der Programmgestaltung zu drängen.

Auch den Vorwurf, man hätte versucht, ihn zu erreichen, um dringende Vertragsangelegenheiten zu besprechen, und da von ihm keine Antwort gekommen sei, habe man beschlossen, daß Hänseroth und Metzmacher die Planung für die erste Spielzeit in die Hand nehmen sollen, hält Schaaf für „absurd“. Hänseroth und Metzmacher hätten nie ernsthaft versucht, ihn zu kontaktieren und angesicht von drei Jahren Planungszeitraum bis zur Spielzeit 1997/98 sei jede Eile „lächerlich“.

Schaaf glaubt vielmehr, daß es Kräfte in der Kulturbehörde – insbesondere den Staatsrat Knut Nevermann – gebe, die „Angst vor meinen Programmvorstellungen“ gehabt hätten und die sich von einem künstlerischen Leiter Albin Hänseroth eine Garantie für einen Fortgang der bisherigen „Gala-Oper“ versprächen. Ausschlaggebend für den Entschluß sei aber gewesen, daß er erkannt hätte, daß es keinen Sinn mache, „sieben Jahre mit der Illoyalität meiner Mitarbeiter zu kämpfen“. Die Hamburg Oper „ist bis in die kleinsten Verästelungen zerstritten und bedürfte der vollständigen Ruhe. Das kann aber nur gelingen, wenn man als geschlossene und ruhige Phalanx das Haus befriedet hätte.“ Das sei mit diesem Team „nicht mehr möglich“. Einem „klärenden Gespräch“ in der Kulturbehörde, von dem er angeblich nichts wußte, hätte er eh nicht zugestimmt: „Gespräche über den Inhalt unserer Theaterarbeit führe ich nicht mit Leuten, die das nichts angeht.“

Metzmacher und Hänseroth wollten sich zu den „Verleumdungen und der Rufschädigung“ (Hänseroth) durch Schaaf erst nach Gesprächen mit der Senatorin am Montag äußern. Die beiden werden, so die Senatorin, zumindest für die erste Spielzeit die Planung alleine übernehmen. Danach wären verschiedene Möglichkeiten denkbar: „Man weiß, daß Albin Hänseroth die künstlerische Leitung in Barcelona sehr gut macht. Folglich wäre zu überlegen, ob man ihm die künstlerische Leitung überträgt und sich einen kaufmännischen Geschäftsführer sucht.“ Auch die Möglichkeit, daß wie bisher der GMD diese Position übernehme, „sei denkbar“, aber darüber müsse sie erst mit Metzmacher sprechen.

Till Briegleb