: Selbstverwaltung zwischen Zeitgeist und Sparzwang
■ Stadtteilkulturelle Zentren in Hamburg: Auf dem Weg zum Dienstleistungsunternehmen?
Derzeit werden 26 Stadtteilkultur-Zentren von der Kulturbehörde mit einer institutionellen Förderung von insgesamt 8.174 Millionen Mark unterstützt. Zählt man die Stadtteilkultur- und Zielgruppen-Projektförderung, die Geschichtswerkstätten und Kommunikationszentren W 3, Fabrik u.a. hinzu, so kommt man auf einen Gesamtförderbetrag von über 13 Millionen Mark. In keiner anderen deutschen Stadt wird ein so hoher Betrag für Stadtteil- und Soziokultur aufgebracht!
Trotzdem wird in Hamburg jeder Besuch in einem Stadtteilzentrum mit nur knapp 10 Mark öffentlich gefördert (Staatsoper: noch immer über 200 Mark), was leicht unter dem Bundesdurchschnitt liegt – laut einer Umfrage der Bundesvereinigung soziokultureller Zentren. Mit dieser knappen Bezuschussung leisten die Hamburger Kultureinrichtungen mehr als viele ihrer KollegInnnen in anderen Städten. Denn in der Hansestadt ist die Stadtteilkulturszene tief im Initiativenbereich verwurzelt, was sich noch heute an der Angebots-, NutzerInnen- und BesucherInnenstruktur ablesen läßt.
Momentan wird der Förderbetrag vom vorigen Jahr – von kleinen Schwankungen abgesehen – für die nächsten Jahre fortgeschrieben. Im Kulturbehördenjargon heißt dies: „Die Zuwendung wird eingefroren.“ Mit dem Einfrieren kann man aber die Zeit nicht anhalten: Die Personal- und Betriebskosten steigen unweigerlich an und die Soziokulturarbeit erfährt zunehmend größere Einschnitte.
Die sinkenden öffentlichen Zuschüsse zwingen die Stadtteilkulturzentren, ihre Einnahmen im Veranstaltungsbereich zu erhöhen und ihre Arbeit auf den Dienstleistungsbereich (lukrative Raumvermietung) einzustellen. Im Klartext heißt das: zukünftig mehr Discos und weniger experimentelle Kulturveranstaltungen, mehr Familienfeiern und weniger Initiativentreffen.
Experimentelle und nichtetablierte Kultur, die in den vergangenen Jahren nicht selten ihre ersten Auftritts- oder Ausstellungsorte in Stadtteilzentren hatte, ist aber nicht nur indirekt von der Kürzungs-Kulturpolitik betroffen, sondern auch ganz direkt: Wurden noch '92 knapp 800.000 Mark jährlich auf stadtteilkulturelle Projekte aufgewendet, hat die Kulturbehörde seit '94 nur noch 521.000 Mark übrig – das ist eine beispiellose Kürzung von rund 35 Prozent!
Die knappen Mittel, aber auch gesellschaftliche Veränderungen führten bei den Kulturzentren zur konzeptionellen Infragestellung ihrer Arbeit. Was ist nach 20 Jahren vom Initiativcharakter zum Beispiel der Motte noch übrig? Macht nicht gar der Zeitgeist die soziokulturellen Zentren zu kulturellen Dienstleistungsunternehmen? Überfüllte Discos und gut besuchte Kreativ-Workshops verdrängen schon seit längerem sozialpolitische Bildungs- und Diskussionsveranstaltungen. Was bleibt von den Essentials Mitbestimmung, Selbstverwaltung und Partizipation noch übrig?
Die Zeiten haben sich geändert und auch das ehrenamtliche Engagement hat in vielen Bereichen nachgelassen. Trotz alledem sind über 50 Prozent der MitarbeiterInnen in Stadtteilzentren engagierte Leute, die in ihrer Freizeit um der Sache willen unbezahlt ihre Fähigkeiten einbringen. Dies hängt nicht zuletzt auch mit den Wurzeln der Stadtteilkultur in Hamburg zusammen, denn die Kulturbehörde fördert nur Einrichtungen, die sich aufgrund einer Initiative im Stadtteil gegründet haben – zuletzt wurde '95 die Kultur- und Druckwerkstatt „Alles wird schön“ in die institutionelle Förderung aufgenommen.
Stadtteilkulturzentren unterscheiden sich von anderen Stadtteil- oder Kultureinrichtungen besonders dadurch, daß sie einen hohen Grad an Vernetzung und Kooperation zu anderen Einrichtungen im Stadtteil aufweisen – was vor allem in Zeiten knapper Mittel von unschätzbarem Wert ist. Über fachliche Grenzen hinweg vernetzen sie die Kräfte im Stadtteil, sind oft genug Keimzellen für neue Initiativen und Institutionen. Gerade diese Eigenschaft könnte sie zu wervollen PartnerInnen im Bereich Stadtentwicklung machen, was in der Vergangenheit noch viel zu selten konkret genutzt wurde. Aber auch als Schmelztiegel kultureller und gesellschaftlicher Veränderungen dienen die Stadtteilkulturzentren der Entwicklung und Förderung neuer Ausdrucks- und Kommunikationsformen, die sich sozialen wie technischen Barrieren stellen und sich mit ihnen auseinandersetzen. Yvonne Fietz
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