Die Liberalen sind flügellahm

Auf ihrem Parteitag will die FDP über die internen Richtungskämpfe Gras wachsen lassen und hofft auf neuen Schwung. Forderungen nach „schlankem Staat“ und Bürgergeld  ■ Von Barbara Junge

Was Guido Westerwelle in Bonn ist, will der FDP-Landesvorsitzende Martin Matz in Berlin sein. Und er will heute ebenfalls vollbringen, was Westerwelle in Karlsruhe am letzten Wochenende gezaubert hat: Der neue Schwung der FDP soll vom Karlsruher Bundesparteitag auf den Landesparteitag nach Berlin überschwappen. Jung, dynamisch und vor allem wirtschaftsliberal ist der neue Anstrich der Partei, die bei der letzten Abgeordnetenhauswahl auf 2,5 Prozent kam.

Vergessen ist der Flügelstreit vom letzten Parteitag im Januar. Nationalliberal, linksliberal, das – so scheint es – sind inzwischen Fremdworte für die Berliner Liberalen. Martin Matz, der Newcomer, der sich selbst einen Wirtschaftsliberalen nennt, hatte noch im Januar Ausschlußverfahren gegen einige Rechtsausleger seiner Partei angedroht. „Jetzt“, sagt er, „hat doch die Großzahl der Parteimitglieder gemerkt, daß ihre Interessen vertreten werden.“ Deshalb will er wieder mit allen gemeinsam Politik machen. Was aus den Verfahren wird, ist weiterhin offen, sagt Matz.

Auch auf dem rechten Flügel klingen sanfte Töne. Markus Roscher, enger Mitarbeiter von Alexander von Stahl und einer der Organisatoren des nationalliberalen Netzwerkes: „Unser Flügel ist stärker geworden, wir haben mehr Mitgliederzulauf und bundesweit finden sich unsere Positionen im Programmentwurf. Auf dieser Grundlage können wir zusammenarbeiten.“ Roschers Argumentation entspricht der Linie, die seine Fraktion auch in Karlsruhe vertreten hat: wir sind stark geworden, die FDP ist schon nationaler und deshalb unterstützen wir die Führung wieder.

Neben dem Leitantrag des Landesvorstandes wird es einen zweiten Leitantrag geben – von einer Gruppe um Markus Roscher. Inhaltlich sind die Unterschiede nur schwer auszumachen. Getreu den Botschaften aus Karlsruhe erteilt der Landesvorstand, der „Gefälligkeitspolitik“ eine Absage. Der akuten Finanzkrise will die FDP mit einer differenzierten Sparpolitik beikommen, anstatt pauschale Kürzungen zu vollstrecken. Matz fordert auch eine spezifische Förderung der Berliner Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur.

Aber vor allem heißt das Motto „schlanker Staat“. Für Berlin heißt das in den Augen der FDP zum Beispiel die Privatisierung der öffentlichen Versorgungseinrichtungen und Unternehmen. Gefordert wird unter anderem der Verkauf der Wohnungsbaugesellschaften und eine private Wärmeversorgung öffentlicher Gebäude. Außerdem geht den Freidemokraten die Bezirksreform nicht weit genug. Sie wollen die Verwaltungen der Bezirksämter gleich ganz abschaffen. Bezirke sollen nur noch politische Gremien sein. An einer Stelle des Leitantrages aber scheint das Erbe der sozialliberalen Ära noch durch. Das Konzept des Bürgergeldes, also einer finanziellen Grundsicherung für alle, taucht zwischen all den Verschlankungen noch auf. Die nationale Strömung schlägt kaum anderes vor. Sie wollen noch ein bißchen mehr Elite in der Bildungspolitik, ein bißchen mehr Polizei auf Berlins Straßen und eine Verschärfung des Ausländerrechts, damit konsequent abgeschoben werden könne, so ihr Antrag. Ohne Wahlen und Satzungsänderungen geht es nur um eine innerparteiliche Diskussion. Und noch um eines mehr, wie Martin Matz es bescheiden formuliert: „Wir wollen vor allem zeigen, daß wir noch da sind.“