Friede, Freude, Eierkuchen

■ Die Love Parade zieht 1996 durch den Tiergarten: Das Motto lautet: „We are one family“. Fans und Kritiker debattieren über Politik, Parties, Medien und Müll

Jede Stadt hat die über ihre Grenzen bekannte Amüsierveranstaltung, die ihr gebührt. München hat das Oktoberfest, Köln seinen Karneval und Berlin die Love Parade. Zwar ist das Publikum des Berliner Techno-Straßen-Umzugs altersmäßig nicht so gemischt wie andernorts, aber die Love Parade hat auch erst eine achtjährige Geschichte.

Begonnen hatte es 1989 mit einem VW-Bus und 150 Tanzwütigen, 1990 waren es schon 2.000 Teilnehmer, und von nun an vervielfachten sich die Zahlen Jahr für Jahr. Letztes Jahr waren es über 300.000 Raver, die mit 34 lautsprecherbepackten Lastern durch die Westberliner Innenstadt zogen. Das Gelände um den Bahnhof Zoo glich einem riesigen Zeltlager, an keiner Tankstelle waren mehr Getränke zu bekommen, und der Kurfürstendamm wurde flächendeckend knöcheltief zugemüllt.

Am 13. Juli ist es wieder soweit, doch im achten Jahr ihres Bestehens hat sich für die Love Parade einiges verändert. Nachdem der Umzug bisher immer den Ku'damm rauf und runter gezogen war, soll es dieses Jahr durch den Tiergarten gehen: vom Ernst-Reuter-Platz zum Brandenburger Tor und zurück zur Siegessäule. Von der Streckenänderung erhoffen sich die Veranstalter vor allem genügend Platz für die erwarteten 500.000 Raver, aber auch bessere Möglichkeiten zur Durchsetzung ihres Müllvermeidungskonzepts. Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren ist dieses Mal aber auch eine Abschlußkundgebung geplant, wo Love-Parade-Initiator Dr. Motte das Motto „We are one family“ erläutern wird, um den politischen Gehalt der Veranstaltung zu unterstreichen.

Die nicht-ravende Öffentlichkeit entdeckte die Love Parade erst relativ spät und nahm sie dann entweder als riesengroßen Karneval wahr oder als Tanzveranstaltung mit ungelöstem Müllproblem. Auch ein rebellischer Kern, jugendliches Protestpotential, wurde gesucht, aber durch Sprüche wie „Friede, Freude, Eierkuchen“ nicht gefunden.

„Natürlich geht es bei der Love Parade primär darum, Geld zu verdienen, darüber kann die ganze Peace-Love-Unity-Rhetorik nicht hinwegtäuschen“, sagt Robert, Produzent beim Berliner Technolabel V-Records und passionierter Raver. „Daß zu Anfang von Seiten der Macher Idealismus dahintersteckte, spielt heute keine Rolle mehr, es stärkt eher die Glaubwürdigkeit und fördert den Marktwert.“

Für Robert ist diese Debatte allerdings mehr ein Problem der Medien als der Szene selbst. „Seit die Medien Techno entdeckt haben, gilt Techno als tot, weil kommerzialisiert. Den lebendigen nicht- „kommerzialisierten“ Techno gab es in den Medien nie, und es gibt ihn dort noch immer nicht.“ Das sei aber falsch. Natürlich gebe es in Berlin eine lebendige Szene von DJs, Produzenten, Plattenlabels und illegalen Clubs, die werde nur nicht bemerkt.

Am Wochenende der Love Parade repräsentiere sich die ganze Szene in Berlin, weniger auf dem Umzug selbst als auf den ungezählten Partys überall in der Stadt. Für die politische Message hat Robert aber nur ein Achselzucken übrig. Als politische Demonstration sei die Love Parade doch nur angemeldet, damit die Veranstalter die Kosten für die Müllbeseitigung nicht übernehmen müßten. „Wenn eine Bewegung groß genug ist, kann sie den Senat dazu bringen, den Müll wegzuräumen“, das sei die einzige politische Ebene. Tobias Rapp

Infos: Love Parade GmbH, Telefon 6179570.