Entscheidung über Bosnien-Wahltermin Ende Juni

■ OSZE-Vorsitzender Cotti gibt Druck der USA und EU auf der Konferenz zum Dayton-Abkommen nicht nach. Karadžić erwägt Kandidatur für Präsidentschaft

Genf (taz) – Der Vorsitzende der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), der Schweizer Außenminister Flavio Cotti, wird seine Entscheidung über den Wahltermin in Bosnien endgültig erst Ende Juni treffen. Bei dieser Haltung blieb Cotti gestern auch auf der Bilanzkonferenz zum Dayton-Abkommen in Florenz – trotz massiven Drucks der USA und der EU, auf dieser Konferenz bereits den 14. September als Wahltermin zu verkünden. Vor seiner Entscheidung will der OSZE-Vorsitzende noch einmal nach Sarajevo reisen.

Von den von der OSZE zu leistenden organisatorischen Voraussetzungen her könne die Wahl zwar am 14. September durchgeführt werden, erklärte Cotti in Florenz, auch gebe es Verbesserungen der politischen Rahmenbedingungen und Fortschritte bei der Bewegungsfreiheit sowie einige positive Ansätze bei der Meinungs- und Medienfreiheit. Das allgemeine Klima in Bosnien ist nach Einschätzung des OSZE-Vorsitzenden jedoch „weit davon entfernt, ideal zu sein“. Die Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen werde weiterhin systematisch verhindert. Die Tatsache, daß über die Hälfte der 2,8 Millionen wahlberechtigten Bosnier noch als Flüchtlinge in 16 ausländischen Staaten lebten und dort ihre Stimme abgeben müßten, gebe „Anlaß zur Besorgnis“.

Der OSZE-Vorsitzende kritisierte, daß die auf dem Genfer Bosniengipfel vom 2. Juni eingegangenen Verpflichtungen der Konfliktparteien zu „keinen nennenswerten Verbesserungen geführt“ hätten. Cotti unterstrich, daß „nur die internationalen Vertreter vor Ort beurteilen“ könnten, „ob minimale Voraussetzungen für freie, faire und demokratische Wahlen bis Mitte September denkbar“ seien „oder ob eine Verschiebung eine Verbesserung bringen“ könne. Die Beurteilung der Lage müsse „strengstens im Interesse des geplagten Landes erfolgen“.

Wie bereits zum Auftakt der Florenzer Konferenz der Vorsitzende Richter des Internationalen Kriegsverbrechertribunals, Antonio Cassese, forderte auch Cotti die Festnahme und Auslieferung der Serbenführer Radovan Karadžić und Ratko Mladić noch vor den Wahlen. Der kürzlich von Karaždić eingesetzte neue bosnisch- serbische Regierungschef Gojko Klicković hatte diese Forderung zuvor mit den Worten zurückgewiesen: „Wir werden Cassese schon die passenden Antworten auf seine hysterischen Ausfälle geben.“ Laut Klicković erwägt Karadžić eine Kandidatur bei den Wahlen für die dreiköpfige Präsidentschaft Bosniens, obwohl das Dayton-Abkommen eine Kandidatur vom Tribunal angeklagter Personen ausschließt. Klicković: „Radovan Karadžić ist in seiner Seele eigentlich ein Demokrat.“ Andreas Zumach