Wünsche und Vitamine

■ Bremer Frauen Liste spielte Märchenfee beim 2. Politischen Frauen-Frühstück

Anke Mittmann (etwa Mitte Vierzig) ging die Sache stoisch an: „Ich war auch mal in einer Frauengruppe. Aber mit Kräutertee und Räucherstäbchen und dem Spruch ,wir verwirklichen uns jetzt' kann ich nichts anfangen. Also sitze ich heute hier und höre mir das mal an.“ Diesmal gab es Frühstück mit Kaffee, Mozzarella und Vitaminen vom stattlichen Büfett sowie globale Themen. Die „Bremer Frauen- Liste“ hatte zum Politischen Frauenfrühstück ins Bürgerhaus Weserterrassen geladen und – wie im Märchen – den Frauen versprochen, ihre drei drängendsten Wünsche zu erhören.

Das Leben in Bremen und Utopien waren gefragt. „Märchenfee“ Erika Riemer-Noltenius, 2. Vorsitzende der Frauen-Liste, wollte so per Zauberstab die Bremerinnen zum Sprechen bringen. Seit Februar '95 existiert die politische Vereinigung. Mitten in der Aufbauphase wurden damals die 20 Gründerfrauen vom Bruch der Ampelkoalition überrollt, stellten ad hoc schnell 13 Kandidatinnen zur Wahl. Doch keine schaffte den Sprung in die Bürgerschaft. Stimmen gab es jedoch in allen Bremer Wahlkreisen, insgesamt stolze 1.247. „Wir machen weiter“, sagten sich die unabhängigen Aktivistinnen. Inzwischen sind es 25.

Sie haben keine Satzung, kein Statut, ihr Programm steht auf einem Din-A-4-Papier, die Mehrheit entscheidet und die Frühstücksbrötchen sind weder rechts noch links. Mit dem Ruf: „In Bremen, einer der patriarchalischsten Städte in Deutschland, wird es Zeit, daß (endlich) die Frauen den Ton angeben!“ fing die Frauen-Liste einmal an. Die doppelte Staatsbürgerschaft, eine solide Unterstützung der Bremer Frauenprojekte, ein staatliches monatliches BürgerInnengeld von mindestens 1.500 Mark haben sie nun in ihrem Forderungskatalog. „Ich möchte nur, daß es hier nicht zu einseitig zugeht“, sagte gestern eine Besucherin am Tisch. „Für meinen Ehemann will ich mich nicht entschuldigen müssen.“ – „Ich bin ja auch verheiratet“, tröstete eine der Aktivistinnen, die mit circa 50 Jahren das Durchschnittsalter der Frühstücksrunde repräsentierte.

Vor dem Wünschen gönnten sich nun die Damen zunächst die Gaumenfreuden. Über Bachblüten wurde geredet und darüber, daß diese auch schon mal Thema bei Schreinemakers waren. „Ich mußte ja meinen ganzen Mut aufbringen, um hierherzukommen“, gab Gisela S. am Rande dann zu. Sie verspreche sich bei dem Gespräch hier Gesellschaft, Kontakt, vielleicht den Beginn einer Freundschaft. Gisela S. ist 55, lebt getrennt und arbeitet bei Aldi als Verkäuferin. Sie fand: „Verwirklicht haben wir uns noch lange nicht.“

Was wünschen sich demnach die Bremerinnen? Ein eingeschränktes Fahrverbot für Männer. Mehr Mitleid unter den Frauen den Tieren gegenüber. Weniger Gewalt gegen Frauen auf den Straßen. Mehr Wertschätzung untereinander. Für jede und jeden Menschen einen Ausbildungsplatz nach Neigung und Können. Und immer wieder und immer noch, daß die Frauen ernst genommen werden. Der Aufruf „Ein Recht auf individuelle Weiblichkeit!“ erhielt einen Pfiff.

Märchenfee Erika Riemer-Noltenius nahm die Begehren entgegen und wurde dann selbst am konkretesten: „Ich fordere die Wiedereinrichtung der Beginenhäuser.“ Die im frühen Mittelalter entstandenen Frauenwohnhöfe, die während der Zeit der Hexenverbrennungen zum Großteil zerstört wurden, will sie auch in Bremen wieder aufleben lassen. „Mehrere Generationen sollen wieder unter einem Dach autark zusammen leben können!“ Riemer-Noltenius – auch 1. Vorsitzende im Bremer Frauenausschuß – möchte im nächsten Jahr dazu einen fördernden Verein gründen und plant schon jetzt ein Beginenhaus in der Stadt, ein weiteres am Stadtrand sowie einen Hof auf dem Land.

Heidi Behrens, die Jüngste in der Runde, nickte dazu. „Ich will in die Politik und werde mich nun entscheiden zwischen den Grünen und den Frauen“, sagt sie. „Von der Männerpolitik bin ich grundsätzlich enttäuscht, also tendiere ich zur Frauen-Liste. Dann will ich dort aber auch über den Haushalt reden und möchte Berichte über die Europäische Union hören.“ sip

Aktuelle politische Themen diskutiert die Bremer Frauen-Liste jeden dritten Dienstag im Monat im Presseclub im Schnoor. Info