Kommentar
: Knacki arm genug?

■ Kirche scheut Präzedenzfall

„Sie wollen sowieso nur fiese Kommentare schreiben.“ Die Evangelische Familien-Akademie fürchtet eine schlechte Presse und um ihren guten Ruf. Ob es diesen zu verlieren gibt, entzieht sich unserer bisherigen Kenntnis. Tatsächlich ist es einfach nur blamabel, die Frage von 30 Mark Gebührennachlaß für einen Inhaftierten über Wochen in die Länge zu ziehen und den Antragsteller hinzuhalten.

Wie schwierig mag es sein, da eine klare Aussage zu treffen? „Den Fall hatten wir noch nicht“, ist als einziges Argument zu vernehmen. Entweder wird der Mann nicht ernstgenommen – eine Vorstandsbeschlußfassung über eine Sonderregelung in der Gebührenordnung ist zweifellos unheimlich bürokratisch und zeitintensiv, aber sicher auch zu verwirklichen. Oder aber, möchte man in aller Bosheit vermuten, der kirchliche Verein scheut den Präzedenzfall. Wer von den Knackis kommt schon auf die Idee, zu einem Verein wie der evangelischen Kirche in den Kurs zu gehen. Gibt es Gebührennachlaß, werden sie wahrscheinlich in Massen strömen und den Etat der Familien-Akademie arg strapazieren. Da der kirchliche Verein aber offensichtlich eine Grundsatzentscheidung scheut – diese darf ja um Gottes willen auch nicht zu unmenschlich ausfallen –, fragt die Geschäftsführung lieber stur (und beleidigend) nach der Bedürftigkeit des Gefangenen und stellt sich als Opfer der eigenen Interessen dar. Silvia Plahl