Das Portrait
: Der Querulant

■ Reinhard Lettau

Der Schriftsteller Reinhard Lettau, der gestern in Karlsruhe 66jährig verstorben ist, war mit seinen biographischen Zickzackschwüngen unter den deutschsprachigen Autoren der Nachkriegszeit der am schwersten zu fassende: 1929 in Erfurt geboren, Promotion in Harvard, Lehrer an amerikanischen Universitäten, nach 1965 freier Autor in Berlin. Da waren seine ersten Prosasammlungen – Schwierigkeiten beim Häuserbauen“ (1962) und „Auftritt Manigs“ (1963) – bereits hoch gelobt worden.

Lettau wurde als politischer Aktivist berühmt, dabei war er alles andere als ein „engagierter Schriftsteller“. Man hat seine rätselhaften, vertrackt-komischen Miniaturen zu Recht mit der kleinen Prosa Kafkas verglichen. In den Sechzigern ist dem bekennend antiamerikanischen Deutschamerikaner Lettau die Politik zum Schicksal geworden – mit der Pointe, daß man ihn, den amerikanischen Staatsbürger, 1967 aus Berlin auswies, wegen Beleidigung des Staatsoberhaupts einer Besatzungsmacht. Lettau hatte bei einer Veranstaltung gegen den Vietnamkrieg das Wort geführt und bei einem spektakulären Teach-in unter dem Jubel der Studenten Berliner Zeitungen wegen ihrer „Autoritätsgläubigkeit“ zerrissen. Herbert Marcuse und Angela Davis setzten sich dafür ein, daß Lettau an der University of California San Diego unterkommen konnte, wo er bis 1991 Literaturwissenschaft lehrte.

Lettau agitierte vor Ort weiter gegen den Vietnamkrieg und versorgte die deutsche Linke durch ein Buch, dessen Titel sprichwörtlich wurde, mit Munition gegen das Reich des Bösen: „Täglicher Faschismus“ hieß seine Collage aus der amerikanischen Presse (1971). Ein Generalverdacht gegen Amerika blieb ein Leben lang seine Passion: Als Nachrichtenredakteur der Schriftsteller-taz im Herbst 1987 sammelte Lettau alle Meldungen, die sich gegen seine ungeliebte Wahlheimat verwenden ließen.

1991 verlegte Lettau seinen Wohnsitz ein zweites Mal nach Berlin, „vorläufig definitiv“, wie es bezeichnenderweise hieß. Das neue Deutschland fand er „gar nicht so schlimm“, wie er es sich in Amerika vorgestellt hatte. Er ärgerte seine PEN- Kollegen durch Eintritt in den Ost-PEN. Lettau hat zuletzt den Prosaband „Flucht vor Gästen“ (Hanser 1994) veröffentlicht, für den er, bis zum Ende ein heiterer Querulant, zu seinem „eigenen Erstaunen“ mit dem Bremer Literaturpreis 1995 ausgezeichnet wurde. Jörg Lau