Meister der Rüben

■ Wurfübung: Lesung mit Iven Fritsche

Weil Iven Fritsche Lesungen scheiße findet, tragen seine Lesungen den Titel Lesungen sind Scheiße. Soweit die Logik. Anläßlich seiner „Lesungen“ läßt der junge Hamburger Autor (und mehrfache Literaturpreisträger, woraufhin er gern verweisen läßt) sich deshalb von Schauspielerinnen unterstützen, wie am Montag in der Altonaer Bücherhalle. Seine Texte, die Ramona Nagler vorlas, beschreiben in der Regel so lebensbestimmende Dinge wie Einkaufen, Müllrunterbringen, Dia-Abende, Apfeltaschen. Fritsches Sprache ist penibel, ausschweifend, unterhaltsam: irgendwo zwischen Peter Handke und Elke Heidenreich. Während Nagler also las, beschäftigte Fritsche sich mit der Unterhaltung seines Publikums, dessen Reaktionen er fotografisch dokumentierte. Besonders das Einwerfen von Objekten – zur Hervorhebung der Botschaft seiner Texte – bereitete dem Dichter offensichtliche Freude.

Bei einer solchen Gelegenheit bekam eine unschuldige Journalistin übrigens eine vergammelte Mohrrübe auf die Nase, was teuer hätte ausgehen können – sowohl im Falle eines Nasenbeinbruches (Körperverletzung, Krankenhaus, Schmerzensgeld, Berufsunfähigkeit – denn wohl kaum eine junge, zugegebenermaßen eitle Journalistin läßt sich gern mit häßlich geschwollenem Zinken bei Veranstaltungen blicken) als auch im Falle zerbrochener Brillengläser.

Im weiteren Verlauf des Abends flogen dann noch: 1. ein komplettes Tee-Service, 2. eine Anstaltspackung Meerschweinchenfutter, 3. ein toter, aber nicht eben perfekt ausgenommener Fisch durch die Gegend. Wie Fritsche die Kurzgeschichte Brigitte redet Müll illustrierte, braucht hier wohl im einzelnen nicht erörtert zu werden. So sei nur erwähnt, daß die Schreiberin sich bei Ankündigung des Textes Frischfleisch nach über zwei Stunden vorzeitig von der – man muß wohl sagen – „Scheiß-Lesung“ verabschiedete. Dazu führte allerdings nicht etwa die Befürchtung eines Rinderhack–Regens, sondern – im Gegenteil – das dringende Verlangen nach einem Schinkenbrötchen und kühlem Bier sowie die Aussicht, angesichts des nicht wirklich gebrochenen Nasenbeins am nächsten Tag wieder frühzeitig am Arbeitsplatz erscheinen zu müssen. Weder von der Gesamtdauer der Veranstaltung noch von deren letztendlichem Ausgang wahrheitsgemäß Bericht zu erstatten in der Lage sich schätzend, hofft doch einen angemessenen Eindruck vermittelt zu haben:

Nele-Marie Brüdgam