"Bin nicht der Roboter"

■ Was ist eigentlich ein Staubsauger? Dieter Eilts über seine Rolle als Räumevernichter und Ballgewinner im Konzept von Berti Vogts

taz: Sie sind der deutsche Staubsauger. Was macht so ein Staubsauger?

Dieter Eilts: Ich möchte die Rolle nicht Staubsauger nennen. Ich würde sie eigentlich als Bindeglied zwischen Abwehr und Angriff beschreiben. In diesem Raum versucht man, die Räume eng zu machen, versucht, früh den Gegner zu attackieren und in Ballbesitz zu kommen.

Was muß man dazu können?

Man muß laufstark sein, ein gutes Auge und taktisches Verständnis haben und sehr, sehr zweikampfstark sein. Das sind eigentlich die Stärken, die man für diese Rolle haben muß.

Taktisches Verständnis heißt: Erkennen, wie der Gegner funktioniert?

Richtig. Man muß vorausschauend spielen können. Man muß, ja ... 90 Minuten hochkonzentriert sein, so daß einem der Gegner nicht im Rücken wegläuft und man nicht die Räume für den Gegner aufmacht.

Nehmen wir an, der Gegner probiert etwas Neues. Sehen Sie das vorher? Oder erst, wenn das, was richtig war, plötzlich falsch ist?

Das merkt man immer erst nach der Aktion, beziehungsweise teilweise bereits in der Aktion. Wenn man dann Fehler macht, kann man die teilweise nicht mehr rückgängig machen.

Deutsche Journalisten diskutieren, ob und wie Libero Sammer Ihnen sagt, wo Sie hinrennen müssen.

Das geht von selber. Es ist sicher so, daß Matthias einem hilft, richtig zu stehen. Er sagt: Paß hier oder da auf, aber das ist überall so. Alles kann man einfach nicht sehen.

Aber Sie sind nicht der ...

... ich bin nicht der Roboter von Matthias Sammer. Das ist total falsch. Aber dadurch, daß er hinter uns spielt, hat er den besseren Überblick und sieht genau, ob wir richtig stehen. Oder zwei, drei Schritte zurück müssen.

Sie haben ein Problem: Sie sind kein Fernsehspieler. Im Stadion sieht man, was sie tun. Im Fernsehen sind Sie unsichtbar.

Das ist richtig. Im Stadion hat man einen ganz anderen Überblick über das ganze Spielfeld. Da sieht man die Laufwege der Spieler. Wie Spieler die Räume zumachen, engmachen, damit der Gegner nicht hineinkann.

Fußball ist aber Fernsehfußball. Alle wollen sich auskennen; die wenigsten gehen zum Erlangen von Kompetenz ins Stadion.

Das ist richtig. Aber ich denke schon, daß die Leistung, die Spieler in meiner Position bringen, anerkannt wird.

Teile der Medien beschäftigen sich im Moment tatsächlich bisweilen auch mit der Frage, wie eigentlich das Spiel funktioniert. Das würde Ihnen zugute kommen.

Ich denke, daß die Medien allgemein viel zu wenig über Taktik berichten und über gewisse Spielerpositionen. Das wird einfach so hingenommen. Es wird aber nicht gesagt, was es eigentlich bedeutet.

„Bild“ möchte Möller zum Star machen. Der nimmt den Ball, rennt los und schießt ihn rein. Oder er ist richtig schlecht.

Es ist einfach eine Frage der Arbeitsauffassung: Was will ich verkaufen? Was lockt mehr Leser an?

Wo bleiben Sie?

Wenn die „Bild“-Zeitung meint, daß sie das so und so machen muß, muß sie es halt so machen. Und andere Sachen im Hintergrund lassen.

Was ist Fußball für Sie?

Ein Mannschaftssport, der nur über, bei uns jetzt, 20 Spieler funktioniert.

Ist es Arbeit?

Es ist Arbeit und Kunst. Aber diese Kunst muß man sich erarbeiten. Die kommt nicht von alleine. Wenn Sie zum Beispiel Zirkusartisten sehen: Die gehen auch nicht in die Manege und machen irgend etwas. Die erarbeiten sich diese Kunst sehr, sehr hart.

Die Kunst funktioniert, wenn die Arbeit beherrscht wird?

Richtig.

Dieser Zusammenhang wird inzwischen häufig anerkannt.

Das sag' ich auch, daß das anerkannt wird. Das ist auch nicht das Ding. Es ist eben für die Öffentlichkeit mit Spielertypen wie Andreas Möller oder Mario Basler mehr anzufangen als mit einem Spieler wie mir, der halt nicht so in den Medien präsent ist.

Interview: Peter Unfried