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: Überfällig – Die Deutsche Mediathek

Manchmal zieht man seine feine Weste an und geht in die Akademie der Künste in Berlin, nur um Menschen zu sehen, die ein Museum gründen wollen. Menschen wie Walter Jens, denen das Museale wichtig ist. Man spürt ihnen den Reichtum geradezu an, den sie erahnen. Helmut Drück vom Gründungsbüro ist auch so einer. Er lächelt so wonnig vor seinem Mikrophon, wenn er über die geplante „Deutsche Mediathek“ am Potsdamer Platz spricht, daß man ihm sofort einen erfolgreichen Feldzug durch die Kanäle wünscht. Dabei ist auch er ein Museums- Junkie. Seit der französischen Revolution hängt sich der Bürger gerne mal einen Apoll, einen Jesus oder eine Moorleiche in die Vitrine, um sich an seiner Allmacht zu berauschen: Beutegut nennt der Bürger Bildungsgut, und deshalb tut es fast ein wenig weh, daß nun auch unser Fernseher und unser Radio schon museumsreif sein sollen.

Aber die Argonauten rund um Helmut Drück wollen kommen – und uns die Chips aus der Hand nehmen. Im Jahre 2000 wollen sie im Sony-Zentrum ihre Sammlung von Hörfunk- und TV-Produktionen zeigen, die sowohl bedeutsam als auch typisch sein soll. Und damit wir die Früchte ihrer Raubzüge tüchtig hochschätzen, wollen sie uns in medienpädagogischen Seminaren ihren Begriff von Qualität lehren. Wir wünschen ihnen toi, toi, toi! Weil wir Helden lieben.

Am Montag abend aber saßen sie bei einer Podiumsdiskussion in der Akademie der Künste beisammen und fragten sich: „Wo bleibt das Programm-Museum für Radio&TV?“. Weil das Geld knapp wird, luden sie die Presse zu sich, um uns alle aufzurütteln. Die Berliner Mediathek sei nicht eingebunden in eine „übergreifende Medienstandort-Strategie“, klagte Jürgen Doetz von Sat 1.

Man muß sich nur an andere, erfolgreiche Museumsgründungen erinnern, um seinen Kummer zu verstehen. Immer schon sollten Museen von dem Willen einer Gesellschaft zeugen, etwas beherrschen zu wollen. In Sachen Fernsehen sind wir wohl noch nicht so weit. Aber wir arbeiten schon dran. Marcus Hertneck