Ende einer Provinzialität

■ Stadtansichten: Die 15. Sommerakademie in Hamburg beschäftigt sich sechs Wochen lang mit diversen Aspekten des Lebens in der Stadt

Die Stadtentwicklungsbehörde, die Hamburgische Architektenkammer und der Bund Deutscher Architekten bemühen sich emsig und redlich um einen baukulturellen Dialog in der Stadt. Die Crux mit den meisten dieser Veranstaltungen aber ist – sei es eine Diskussion um das neue Stadtentwicklungskonzept oder der Werkbericht von Architekten – daß sie dem Laien kaum Einstiegsmöglichkeiten liefern. Das Gespräch über Architektur und Stadtplanung wird auf dem Fachniveau geführt, so daß der gewöhnliche, neugierige Mensch nach dem ersten Besuch wahrscheinlich nicht wiederkommt.

Diesem Umstand abhelfen will die Evangelische Akademie mit ihrer 15. Sommerakademie. Vom 21. Juni bis zum 31. Juli wird in 30 Vorträgen das Thema Spielräume – Stadtansichten – Lebensräume von allen nur erdenklichen Seiten mit dem ausdrücklichen Ziel beleuchtet, dem Laien Zusammenhänge und Perspektiven von Städtebau und Alltagsleben näherzubringen. Denn das Leben in der Stadt wird nicht nur von schmucken Fassaden, hübschen Parks und guten Verkehrsverbindungen bestimmt. Auch Erinnerung, Klang und Stille, Literatur, Reichtum, Kinder oder Religiosität prägen das Leben an dem jeweiligen Ort.

Die Einzelthemen reichen dann auch von Graffiti-Kunst zur Erinnerung an die Städte im Nationalsozialismus, von einer „Irrfahrt“ bis zu „Auto raus!“, vom Reden über „Grillwurst, Scater, Kinderkarren“ in Parks bis zur Agenda 21. Filmabende zeigen Moderne Zeiten, Schtonk oder Berlin Alexanderplatz unter dem Blickwinkel der Stadtbetrachtung. Literarische Streifzüge zum „Körper in der Stadt“ oder „Die Stadt im Märchen“ stehen neben wissenschaftlichen Exkursen über den Raum für Kinder oder Fußgänger in der wirtschaftlich orientierten Stadtplanung, Verarmung durch Reichtum oder Gesundheit in der Stadt. Und auch rein städtebauliche Vorträge, etwa über den Verlust der Funktion von Plätzen in den Metropolen, finden sich im Programm.

Amelie Gräf, stellvertretende Leiterin der Akademie und für das Programm verantwortlich, will dabei die Balance zwischen „echten Hamburgensien“ und „Blicken über den Tellerrand“ wahren, denn, so Gräf weiter, „der Dialog über die Stadt wird in Hamburg viel zu provinziell geführt“. Deswegen wird die Umbruchsituation in der sächsischen Kleinstadt Wurzen ebenso thematisiert wie die Religionen in Hamburg, wird über weibliche Stadtansichten oder das Phänomen der Kriminalität ebenso gesprochen wie die Senatspolitik durch Thomas Mirow vorgestellt wird.

Dabei hofft Gräf, daß nach den sechs Wochen Programm nicht wieder die alte Regungslosigkleit eintritt. „Wir wollen mit dieser Sommerakademie etwas anstoßen, damit dieses so wichtige Thema sich auch in Zukunft endlich in Hamburg verankert.“ Dazu bietet dieses schillernde Programm sicherlich schon die allerbesten Voraussetzungen.

Till Briegleb

Weitere Programminformationen sowie die Folder mit allen Terminen sind über die Evangelische Akademie, Esplanade 15, 20354 Hamburg, erhältlich.