Ein Hort der Sinnstiftung

■ Die Galerie Vorsetzen schließt nach zehn Jahren heute ihre Tore / Ein Gespräch mit Galeristin Gesine Petersen und Mitinitiator Adam Jankowski

Die Galerie Vorsetzen, ehemals von Künstlern initiiert (u.a.: KP Brehmer, Adam Jankowski und Anna Oppermann), wurde in den letzten 6 Jahren von Gesine Petersen geleitet. Aus familiären Gründen wird sie nun Hamburg gen Bangkok den Rücken kehren. Damit wird eine galeristische Institution der letzten zehn Jahre der Furie des Verschwindens anheim gegeben. Die Galerie Vorsetzen verfügte über ein klar definiertes, sprödes und auch politisch motiviertes Profil, das kaum eine andere Galerie aus ökonomischen Gründen auffangen kann.

taz: Frau Petersen, was ist Ihre persönliche Quintessenz der letzten Jahre?

Gesine Petersen: Die Galerie Vorsetzen bot seit 1986 ein Forum für authentische Kunst, die keinem modischen Trend unterworfen war, und das haben wir auch ökonomisch bis heute durchgehalten. Hilfreich war dabei, daß ich Ende der 80er Jahre mein Handwerk bei KP Bremer und Adam Jankowski gelernt habe. Es war dann immer mein Anliegen, der Kunst Öffentlichkeit zu verschaffen, die bewußt am Kunstbetrieb vorbei produziert. Und genau das wird jetzt fehlen: Wo gibt es in Hamburg die Galerie, die mutig genug ist, junge Künstler, die spröde, sperrig, eckig und eigensinnig sind, zu fördern. Da wird man merken, daß die Galerie Vorsetzen fehlt, und da ist man auch selbst traurig.

Welche jungen Künstler sprechen Sie hier an?

Petersen: Ich glaube, daß der „Lichtkünstler“ Daniel Hausig jemand ist, der beharrlich seinen Weg gehen wird, aber auf Grund seines Materialaufwandes wird es schwierig sein, ihn hier in Hamburg aufzufangen. Dann denke ich an die Installationen von Wu Shanzuan und Inga Suala Thorsdottir oder die bildnerischen Arbeiten von Hilke Czeloth und Bettina von Laffaert. Alle diese jungen Künstler sind sowohl kritisch als auch ironisch und arbeiten noch inhaltlich.

Halten Sie den jetzigen Zeitpunkt für ein symbolisches Datum?

Petersen: Ich denke, daß der Zeitpunkt 1996 aus vielerlei Gründen nicht so schlecht gewählt ist. Die Kunst ist heute generell orientierungslos, so daß sich einiges wieder klären muß. Und auf der ökonomischen Seite herrscht derzeit Rezession, die es sehr schwierig macht, eigenwillige, aggressive und reflexive Kunst zu verkaufen.

Adam Jankowski: Die Kunst ist ja heute dem Terror der Medien unterworfen, und dort wird alles nur in Einschaltquoten gerechnet. Es ist vor allem das Privatfernsehen, das den Blick verstellt. Alles ist heute ein Werbeprodukt, so wie Michael Schumacher. Das sinnstiftende Element in der Kunst bleibt dabei zur Zeit auf der Strecke.

Gibt es eine zentrale Erfahrung mit dem Modell der Produzentengalerie, die noch heute Gültigkeit hat?

Jankowski: Die zentrale Frage ist, ob eine Galerie in der Lage ist, Kunstgeschichte zu schreiben. Das ist die Aufgabe. Aber dabei muß man eben auch verdienen. Gesine hat es für uns geschafft, nicht nur Arbeiten zu verkaufen, sondern sie auch in guten Museen zu plazieren, und dafür sind wir ihr dankbar.

Petersen: Die Stromlinienförmigkeit von Galerien und Museen ist furchterregend. Didaktik und kritische Aufarbeitung finden kaum mehr statt. Im Kunsthallen-Katalog zu Egon Schiele steht nicht einmal sein Geburtsdatum, geschweige denn Verweise auf die Zeit von Freud und dem großen gesellschaftlichen Thema der Sexualität. Und da haben wir hier mit Künstlern, Sammlern und Kritikern immer einen konstruktiven Gegenkurs gefahren. Darin hat so eine Konstellation wieder Zukunft – gegen den Mainstream.

Fragen: Gunnar F. Gerlach