Größtes Volksfest im Norden

■ Heute beginnt die 102. Kieler Woche. Über zwei Millionen Besucher werden bis nächsten Sonntag zu 650 Veranstaltungen erwartet Von Torsten Schlemm

Die Veranstalter können den Ansturm nur grob schätzen. Mehr als zwei Millionen Besucher werden von heute bis zum 30. Juni zur 102. Kieler Woche erwartet. Dabei zieht es auch dieses Jahr viele wohl nicht unbedingt nur wegen der Segelregatten zum größten Volksfest im Norden, das sich Stadt und Land 2,2 Millionen Mark kosten lassen.

Eher schon locken die rund 350 Aussteller, die ihre Dienste in den nächsten neun Tagen feilbieten werden: Von der Würstchenbude über den Bierstand bis hin zum Kettenkarussell auf der Spiellinie für Kinder ist all das vertreten, was auch den Hamburger Dom zu einem ganz speziellen Erlebnis macht.

Über 650 Programmpunkte und Gäste aus 60 Nationen unterstreichen die Vielfalt des über 114 Jahre bestehenden Spektakels, von dem einige behaupten, es könne sich von der guten Stimmung her durchaus mit dem Münchner Oktoberfest messen. Vielleicht liegt es aber auch am Kulturangebot, daß sich gerade in diesen Tagen ein Besuch der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt zu lohnen scheint. Ansonsten gilt Kiel ja nicht als Hochburg der schönen Künste, es sei denn, man zählte die Darbietungen des an der Förde beheimateten Handball-Meisters THW hinzu.

Eine Vielzahl kultureller Veranstaltungen ist für die diesjährige Kieler Woche angekündigt, die von der Schauspielerin Lotti Huber und der schleswig-holsteinischen Ministerpräsidentin Heide Simonis eröffnet wird. Von Shanties über House-Musik bis hin zu Schauspiel oder Ausstellungen – „für jeden ist etwas dabei“, verspricht Detlef Strempel, Leiter des Presseamtes der Stadt Kiel. Und – in Zeiten allumfassender Sparorgien – besonders erfreulich: Mit Ausnahme der Theater- und Opernvorstellungen ist bei allen Veranstaltungen der Eintritt frei.

Allabendlich wird eine halbe Stunde vor der Tagesschau im RSH-Musikzelt an der Spiellinie Live-Musik serviert. Den Anfang machen heute Kid Creole & The Coconuts und Heinz-Rudolf Kunze. Am Montag will die Erste Allgemeine Verunsicherung zur allumfassenden Belustigung beitragen, während tags darauf die Soul-Legende, The Temptations, wieder einmal ihren Papa mit einem rollenden Stein vergleichen wird. Am Mittwoch sind die pennälernden Deutschrocker Extrabreit dran. Roger Chapman und seine Shortlists müssen sich hingegen gedulden: Der Altrocker darf erst am vorletzten Tag von der Bühne runter schreien.

Die Schlagerfreunde sollten am Dienstag auf ihre Kosten kommen, wenn Noch-Geheimtip Dieter-Thomas Kuhn auf dem Berliner Platz Liedgut aus den 70ern zum Besten geben wird. Für die etwas jüngere Generation wird am Donnerstag der Volkspark Gaarden erster Anlaufpunkt sein: Ab 15 Uhr messen sich die Chartstürmer Mr. Ed Jumps The Gun mit den Fantastischen Vier.

Aber nicht nur die Anhänger der populären Unterhaltungsmusik werden bedient. Die Freunde ernsterer Vergnügungen müssen nicht darben. So steht ab Dienstag jeden Abend das Schauspiel Don Juan im Orchesterproberaum des Opernhauses auf dem Programm. In der früher für den Schiffbau genutzten Halle 400 am östlichen Ufer der Innenförde wird viermal das Ballett Principium getanzt. Am Abschlußsonntag kommt Shakespeares Schauspiel Romeo und Julia im Opernhaus zur Aufführung.

Menschen, deren größte Freude es ist, sich an Pinselwerken zu ergötzen, sind bei der Ausstellung russischer Maler im Kulturladen Leuchtturm bestens aufgehoben. Oder beim erwarteten Publikumsmagneten „Ente gut – alles gut“ in der Kunsthalle, wo drei Disney-Zeichner ihre Donald Duck-Comics ausstellen.

Warum bei der Kieler Woche, die unter dem Gesamtthema „Kommunale Zusammenarbeit für Frieden, Umwelt und Entwicklung“ steht, auch Kriegsschiffe zu bestaunen sind, bleibt allerdings unerklärlich. Womöglich kommen aber gerade deshalb soviele Besucher nach Kiel. Es wäre ein etwas makaberer Zuschauer-Magnet.

Das ausführliche Veranstaltungsprogramm ist in Hamburg nicht erhältlich. Über die genauen Termine und aktuellen Veränderungen informiert das Tourismusbüro der Stadt Kiel (