Baden mit ruhigem Gewissen

Brandenburgs Gewässer locken viele Berliner an. Nicht immer sind die Seen im Berliner Umland glasklar, doch die Gesundheitsämter wachen über die Sauberkeit der Badegewässer  ■ Von Henry Lohmar

Harte Zeiten für die Berliner: Mit den neuen Eintrittspreisen ist das Badevergnügen in der Hauptstadt zu einem teuren Spaß geworden. Tariferhöhungen von knapp 50 Prozent für eine Einzelkarte (Westteil 5 statt 3,50 Mark, Ostteil 4 statt 2,50 Mark) und weit über 100 Prozent für das Saisonticket (Westteil 160 statt 65 Mark; Ostteil 140 statt 50 Mark) sorgen für Frust unter den Freunden des kühlen Naß. Doch wer mobil ist, dem bietet sich vor den Toren Berlins eine preiswerte, naturnahe Alternative: die Brandenburger Badegewässer.

Brandenburg bietet rund 500 Badestellen

Mit 3.000 Seen und insgesamt etwa 27.000 Kilometer langen Wasserläufen ist Brandenburg das wasserreichste unter den neuen Bundesländern. Rund 500 Badestellen laden zum Schwimmen und Entspannen ein. Die Badestellenkarte des Brandenburger Gesundheitsministeriums verzeichnet 236 touristisch interessante Bademöglichkeiten. Ein Großteil von ihnen ist von Berlin aus bequem mit der Bahn oder Regionalbahn zu erreichen. Beruhigend ist, daß sämtliche eingetragenen Badestellen regelmäßig auf ihre Wasserqualität untersucht werden. „Aber nicht alle Gewässer in Brandenburg sind von hoher Qualität“, weiß Jürgen Scheidereiter, der sich als Referent im Gesundheitsministerium um die hygienischen Verhältnisse an den Badestellen kümmert. Gerade im Berliner und Potsdamer Umland gibt es Probleme. Nach einer vergangene Woche veröffentlichten Untersuchung der Europäischen Kommission in Brüssel, bei der 18.000 Strände zwischen Mittelmeer und Ostsee unter die Lupe genommen wurden, kamen auch einige Badestellen in und nahe Berlin wegen miserabler Wasserqualität auf die schwarze Liste.

Der Grund: Die Abwässer der Großstadt werden aus den Kläranlagen in fließende Oberflächengewässer, sogenannte „Vorfluter“, geleitet. Die in den Abwässern enthaltenen Phosphor- und Stickstoffverbindungen sorgen bei zu hoher Konzentration für vermehrtes Algenwachstum, das beim Menschen allergische Reaktionen hervorrufen kann. Außerdem trüben die wildwuchernden Algen das Wasser – und das ist nicht nur ein ästhetisches Problem. Denn die „EU- Richtlinie über die Qualität der Badegewässer“ schreibt eine minimale Sichttiefe von einem Meter vor. Die Sichttiefe ist dabei nur eine von mehreren Vorgaben der Europa-Richtlinie. Die örtlichen Gesundheitsämter müssen die Badegewässer vor und während der Saison regelmäßig auf verschiedene mikrobiologische Parameter und ihren pH-Wert überprüfen. Bei Verdacht sind Kontrollen auf Tenside und Phenole durchzuführen. Die „offizielle“ Badesaison hat in Brandenburg übrigens am 15. Mai begonnen und endet am 15. September. Wer während dieser Zeit eine der kontrollierten Badestellen besuche, könne dies aus gesundheitlicher Sicht mit ruhigem Gewissen tun, versichert Jürgen Scheidereiter.

Badeverbot bei großer Verschmutzung

Werden die Grenzwerte an einer Badestelle überschritten, verhängt das zuständige Gesundheitsamt ein Badeverbot. So mußte das Strandbad Babelsberg am Tiefen See schon mehrmals wegen Verunreinigung geschlossen werden, weil die Abwasserbelastung durch den einmündenden Teltowkanal zu hoch war. Baden ist in Brandenburg zwar prinzipiell überall erlaubt, dennoch empfiehlt Jürgen Scheidereiter, sich an die „offiziellen“ Badestellen zu halten. Diese könne man am ehesten in der Badestellenkarte finden, wenn da nicht ein kleines Problem wäre: Die erste Auflage der Karte ist vergriffen, ein Neudruck teuer. Thomas Wendt, der Pressesprecher des Gesundheitsministeriums, ist auf der Suche nach Partnern für die Herstellung einer umfangreichen, besser aufgemachten Neuauflage.

Die Tourismusindustrie profitiert nur mäßig von den Badetouristen. Von den 30 Millionen Ausflügen, die die Berliner pro Jahr nach Brandenburg unternehmen, sind nur 10 Prozent mit Übernachtung. Thomas Bracht, Marketingdirektor im Landesfremdenverkehrsverband Brandenburg, gibt sich jedoch optimistisch: „Auch wenn die Berliner nicht die wichtigste Rolle im Brandenburgtourismus spielen – der Trend geht eindeutig nach oben.“ In einer Broschüre wirbt der Fremdenverkehrsverband für das „Wasserparadies Brandenburg“ mit grenzenlosen Möglichkeiten für Angler, Surfer, Motorboot- und Wasserskifahrer. Bleibt nur zu hoffen, daß sich die Vermarktung des „Wasser Parks Brandenburg“, so der Titel der Broschüre, nicht negativ auf die Qualität der Brandenburger Badegewässer auswirken wird.

Auskunft über die Wasserqualität der einzelnen Badestellen erteilen die Gesundheitsämter der Kreise.

Eine Auswahl der schönsten Gewässer in Berlin und Brandenburg gibt Manuela Blisse: „Berlin geht Baden“. Argon-Verlag, Berlin 1996