Koalition der Opposition nur in den Bezirken

■ PDS und Grüne diskutierten über Haushaltspolitik. Kaum Alternativen zur Sanierung. Landespolitik uneins, Zusammenarbeit der Bürgermeister möglich

Zu später Stunde wurde es sogar noch lebhaft. „Ihr habt gekniffen“, warf Kreuzbergs ehemaliger Bildungsstadtrat, Dirk Jordan, aus dem Publikum den PDS-Vertretern auf dem Podium lautstark vor. In der Tatsache, daß die PDS zur weitgehend gescheiterten Teilzeitoffensive der GEW beharrlich geschwiegen habe, sah er einen Beweis dafür, daß die PDS nicht bereit sei, ihre eigene Klientel mit unangenehmen Wahrheiten zu konfrontieren.

Den Vorwurf des Kneifens wollte sich die PDS natürlich nicht bieten lassen. Schließlich bekämen die Ost-Lehrer nur 90 Prozent des Westgehaltes und bewiesen damit mehr Solidarität als alle Westberliner Lehrer zusammen.

Die eigentliche Frage des Abends aber lautete: Welche Rolle spielt die Opposition angesichts der Haushaltskrise der Stadt? PDS und Bündnis 90/Die Grünen luden am Donnerstag abend im Kreuzberger Kaufhaus Kato zur zweiten Runde ihrer interoppositionellen Gesprächsreihe. Die Annäherung zwischen den beiden Oppositionsparteien gestaltet sich schwierig. Während der PDS-Fraktionsvorsitzende Harald Wolf die Hoffnung äußerte, PDS und Bündnisgrüne könnten gemeinsam den Widerstand gegen Sozialabbau in der Stadt stärken, wollten die beiden bündnisgrünen Finanzpolitikerinnen Michaele Schreyer und Arnold Krause von einem politischen Signal dieser Gespräche nichts wissen.

Die Hauptstadt Berlin ist pleite. Die Listen mit Einsparvorschlägen von PDS und Bündnisgrünen – angefangen bei Großprojekten wie dem Tiergartentunnel bis zur Streichung der Förderung für den Wohnungsneubau – sind lang und weitgehend identisch. Auch wissen beide Parteien, mit einer „technokratischen Sparpolitik“ ist die strukturelle Haushaltskrise der Stadt nicht zu beheben. Wie allerdings der öffentliche Dienst reformiert, Arbeitszeitverkürzung sozialverträglich umgesetzt werden könne, da gaben sich beide Parteien gleichermaßen ratlos. Und so konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, jede der beiden Parteien mache heimlich drei Kreuze, daß sie nicht in der politischen Verantwortung für die Haushaltssanierung steht. Die von beiden Seiten beschworenen „Reformalternativen“ sind nicht in Sicht oder setzen voraus, daß in Bonn die Haushaltspolitik vom Kopf auf die Füße gestellt würde.

Not hingegen schweißt bekanntermaßen zusammen. So sind die Gemeinsamkeiten weniger zwischen den Parteien als unter ratlosen Landes- und hilflosen Bezirkspolitikern auszumachen. Die Erhöhung der Nettoneuverschuldung, die im Abgeordnetenhaus von PDS und Bündnisgrünen gleichermaßen abgelehnt wird, sei für ihn kein Tabu, wenn damit eine antizyklische Haushaltspolitik eingeleitet werden könne, bekannte der Lichtenberger Bezirksbürgermeister Wolfram Friedersdorff (PDS). Auch Kreuzbergs bündnisgrüner Bezirksbürgermeister Franz Schulz hat gegen neue Schulden nichts einzuwenden, wenn damit Kürzungen im Sozialbereich verhindert werden könnten. Den Bezirken steht nämlich das Wasser bis zum Hals. Die Sparvorgaben des Senats haben alle Berliner Bezirke nur formal erfüllt, im Herbst wird es ein böses Erwachen geben.

Um dann dem Berliner Senat und seinem Spardiktat Widerstand entgegenbringen zu können, wünschte sich Franz Schulz eine Zusammenarbeit zwischen den Bezirksbürgermeistern von PDS und Bündnisgrünen im Rat der Bürgermeister. Seinen Parteifreunden im Abgeordnetenhaus riet der Bezirkspolitiker darüber hinaus zum „unverkrampfteren“ Umgang mit der Konkurrenz auf den Oppositionsbänken. Christoph Seils