Warum die taz mehr Abos braucht - und mehr Kapital

Die taz ist anders. Auch beim Thema Transparenz ihrer Finanzen. Gewöhnlich gelten die Verluste eines Zeitungsunternehmens als gutgehütetes Geschäftsgeheimnis. Doch weil die taz-Genossenschaft den LeserInnen gehört, sind auch unsere Zahlen für sie zugänglich. Zumal wenn wir, wie heute, erklären müssen, warum wir mehr Abos und frisches Kapital brauchen.

In der Bilanz des gesamten taz- „Konzerns“ (die Genossenschaft mit ihren Firmen) steht zum 31.12.1995 ein Bilanzverlust von 13,946 Mio. DM. In diesem Verlust enthalten sind 3,203 Mio. DM Sonderabschreibungen nach dem Berlinförderungsgesetz, die abgezogen werden können, so daß sich ein wirtschaftlicher Verlust von 10,743 Mio. DM ergibt. Dieser in 17 Jahren aufgelaufene Verlust übersteigt das gezeichnete Eigenkapital der taz um 5,081 Mio. DM. Die taz müßte Konkurs anmelden, wenn sie nicht über Werte verfügen würde, die nicht in der Bilanz ausgewiesen sind (sogenannte stille Reserven) und den Verlust decken.

Glücklicherweise gehört die taz zu den Vereinigungsgewinnern, weil ihre Immobilien im alten Berliner Zeitungsviertel, die sie vor dem Fall der Mauer gekauft hat, heute ein Mehrfaches wert sind. So steht der Altbau Kochstraße 18 mit 4,288 Mio. DM in der Bilanz, ist aber in einem neuen Gutachten mit über 11,5 Mio. DM Verkehrswert taxiert worden.

Trotz solcher glücklicher Umstände gibt es dringenden Handlungsbedarf, denn die Reserven der taz sind erschöpft. 80% des Gesamtverlustes wurden in den letzten vier Jahren erwirtschaftet, und auch aktuell ist die taz jeden Monat defizitär. Die Rahmenbedingungen haben sich seit dem Fall der Mauer wesentlich verschlechtert: Der Wegfall der Berlinförderung belastet das Unternehmen mit jährlich über eine Million DM. Und die Konkurrenzsituation ist gerade in Berlin für die taz viel härter geworden.

In vielen Bereichen steigen die Kosten weit über die Inflationsrate hinaus. So sind beispielsweise die Kosten für den Vertrieb der taz von 1993 bis 1995 von 4.9 Mio. DM auf 6.9 Mio.DM gestiegen. Das sind 42% in drei Jahren. In dieser Zeit haben wir nicht nur hohe Preissteigerungen hinnehmen müssen (von 1994 auf 1995 stiegen die Druckkosten wegen höherer Papierpreise um14,5 Prozent), sondern wir haben auch den Abovertrieb durch Umstellung auf Zeitungsträgerdienste wesentlich verbessert. Inzwischen wird die Hälfte der taz-Aboauflage über solche Zustelldienste ausgetragen, ein notwendiger, aber teurer Service.

Mit der Gründung der taz-Genossenschaft wurden 1992 massiv Stellen abgebaut, aber gleichzeitig wurde der Einheitslohn abgeschafft. Seitdem zahlen wir geringfügig höhere und differenzierte Gehälter. Heute liegen die gesamten Personalkosten immer noch auf diesem Niveau. Für die einzelnen taz-Mitarbeitenden bedeutet das, daß seit 1992 durch Wegfall der Berlinzulage und höhere oder neue Sozialversicherungsbeiträge heute nominal und sogar real wesentlich weniger übriggeblieben ist.

Die taz steht vor dem Problem, bei ständig steigenden Kosten ihre Wirtschaftlichkeit zu erhalten. Das geht nur, wenn auch jedes Jahr die Einnahmen steigen. Die im Wirtschaftsplan 1995 vorgegebenen Umsatzziele wurden aber trotz zweier erfolgreicher Abokampagnen nicht erreicht. Obwohl die Auflage im ersten Quartal 1996 um fast viertausend Exemplare über dem vergleichbaren Vorjahresquartal lag, wurde im Jahr 1995 aus der normalen Geschäftstätigkeit ein Betriebsverlust von etwa 2,5 Millionen Mark erwirtschaftet.

Wenn die Einnahmen nicht reichen, muß gespart werden, diese Erkenntnis ist für die taz nicht neu. Der Weg über Einsparungen ist aber eine Sackgasse, wenn das Angebot, das wir den LeserInnen machen, hinterher nicht mehr stimmt. Sicher könnten wir unsere Lokalteile in Hamburg und Bremen schließen oder den Seitenumfang insgesamt reduzieren. Auch mit (noch) weniger Personal ließe sich dann eine (noch) dünnere taz billiger machen. Das wollen wir aber nicht, weil wir sicher sind, daß dann weniger Leute zur taz greifen und die Spirale nach unten führen würde. Wir wollen vielmehr die taz voranbringen und die guten Entwicklungen, die es gibt, weiterführen.

Der Anteil der Abonnements an der Gesamtauflage ist so hoch wie nie (77%). Die verkaufte Auflage liegt heute 5% höher als vor einem Jahr, und die Anzeigenerlöse, die für die Zukunft der taz immer wichtiger werden, waren im ersten Quartal 96 sogar 20% höher als vor einem Jahr. Die „Mediaanalyse“, die jedes Jahr mittels Umfragen die Zahl der LeserInnen fast aller Zeitungen hochrechnet, hat auch im Jahr 1996 mit 370.000 Lesern pro Ausgabe wieder sehr gute Ergebnisse für die taz gebracht. Das heißt, jede der gut 60.000 mal verkauften Ausgaben wird von ca. sechs Menschen gelesen.

Es lohnt sich also, die taz fortzuführen. Doch das geht nur, wenn die taz ab sofort kostendeckend hergestellt wird - ohne weitere Verluste.

Bei unserer Planung für das Jahr 1996 sind wir von einer Zunahme der Einzelabonnements ausgegangen, die der des Vorjahres entspricht, also von 3.000 Abos mehr innerhalb eines Jahres. Von 44.500 am Jahresanfang sollte die Zahl bezahlter Einzelabonnements auf 47.500 zum Jahresende steigen. Zur Jahreshälfte, also vor dem Sommerloch, müßte sie bei 46.500 liegen, tatsächlich aber sind wir auf dem Stand zu Jahresbeginn. So sind wegen der fehlenden Abos schon wieder Verluste aufgelaufen, die es in der zweiten Jahreshälfte zu kompensieren gilt.

Da Rettungskampagnen nicht zum Normalzustand werden können, braucht die taz in einem weiteren Schritt zusätzliches Eigenkapital. Investitionen dürfen nicht aus laufenden Einnahmen bezahlt werden. Schon einmal haben 3.000 taz-LeserInnen fast fünf Millionen DM Genossenschaftskapital aufgebracht. Das ist gut, aber nicht gut genug und für die Größenordnung, die der Betrieb taz inzwischen erreicht hat, nicht ausreichend.

Alternative Ansätze haben in der Wirtschaft, in der Politik oder im kulturellen und sozialen Bereich ihre Attraktivität inzwischen an vielen Stellen bewiesen. Die taz wird erfolgreich sein, wenn sie sich mit großem Selbstbewußtsein ihrer Tradition besinnt und der Zukunft stellt. Sie ist explizit als Alternative zu den bestehenden Zeitungen gegründet worden. Es gibt nur zwei erfolgreiche Gründungen überregionaler Tageszeitungen in den letzten fünfzig Jahren: BILD und taz. Allein daran läßt sich der Wert dieser Zeitung ermessen. Wenn es sie nicht mehr gäbe, würde mehr als nur die Frühstückslektüre fehlen.

Karl-Heinz Ruch

Wird die taz noch gebraucht?

Ja. Die taz ist und bleibt einmalig in der deutschen Presselandschaft: Sie gehört ihren LeserInnen. Das macht sie frei von der Einflußnahme eines Verlegers und damit wagemutig und unbestechlich.

Die taz stellt die Dinge ungewöhnlich klar: Wo sonst stehen die Unternehmensbilanzen und die Umweltbilanzen nebeneinander? Wer sonst berichtet so viel über die demokratische und undemokratische Praxis im Land, über ökologische Innovationen und Initiativen von unten?

Die taz gibt auch dem Ungewöhnlichen Platz und Stimme: Wer außer uns berichtet über das Leben einer Waschfrau in Guatemala? Wer außer uns publiziert Sonderausgaben wie die Homo- taz, die Karikaturen-taz oder monatlich Le Monde diplomatique? Die taz zu lesen bedeutet mehr als das Mitbuchstabieren der alltäglichen Nachrichten. Diese Zeitung gehört der kritischen Öffentlichkeit.

Warum kann die taz nicht einfach so weitermachen wie bisher?

Weil die Produktionskosten schneller steigen als unsere Einnahmen. Wenn das so weitergeht, sind wir im Herbst wirtschaftlich am Ende. Wir brauchen sofort 5.000 Abos.

Gibt es keine Alternative?

Keine vernünftige. Die Kosten können wir nur senken, wenn wir die taz abspecken und schlechter machen. Aber wer will das schon? Wir wollen und können die taz nur besser machen. So wollen wir mittel- und langfristig viele neue LeserInnen dazugewinnen. Aber dazu brauchen wir jetzt erst mal Ihre Hilfe.

Und was, wenn die 5.000 Abos nicht zusammenkommen?

Wenn jetzt nicht genügend LeserInnen aktiv werden, weil sie die taz wirklich wollen, dann müssen wir reinen Tisch machen. Dann ziehen wir am 30. September die Konsequenz. Dann werden wir das Haus verkaufen, um einen korrekten Schlußstrich unter das Unternehmen taz zu ziehen: mit Sozialplan für die Mitarbeitenden und Begleichung aller Schulden. Aber wenn wir die taz einstellen, dann wird das für immer sein. Denn eine Neugründung wie vor 17 Jahren hat heute keine Chance.

Was können Sie tun?

Wir brauchen neue AbonnentInnen, neue Genossenschaftsmitglieder und viele neue InserentInnen.

Da können Sie viel tun. Sie haben sechs Möglichkeiten, uns Ihr Vertrauen auszusprechen: Sie abonnieren selbst, Sie werben eineN neueN AbonnentIn oder bringen sich einem lieben Menschen durch ein Geschenkabo jeden Tag erneut angenehm in Erinnerung.

Wenn Sie schon AbonnentIn sind, aber noch nicht den Politischen Preis“ zahlen, dann erhöhen Sie doch einfach Ihren Abopreis und/oder werden Sie GenossenschafterIn.

Schließlich können Sie noch auf einem sechsten Weg Ihre tägliche taz retten helfen: Werben Sie mit und bei uns für Ihre Firma. Sie werden erstaunt sein, wie günstig das sein kann. Fragen Sie an! Oder motivieren Sie die Ihnen vertrauten Geschäfte zu einer Anzeige in der taz. Wir haben viele junge LeserInnen und überhaupt viele, auf deren Meinung man hört.

Wir stellen Ihnen die Vertrauensfrage.

Wenn Sie die taz auch nach dem 30. September noch lesen wollen, dann sagen Sie ja zu mindestens einer dieser Möglichkeiten. Karl-Heinz Ruch