Das Portrait
: Der Geschaßte

■ Alexander Korschakow

Er mußte nicht gehen, weil er zuviel wußte. Er mußte gehen, weil Boris Jelzin nicht mehr uneingeschränkt auf seine Loyalität vertrauen konnte: Alexander Korschakow, bis Donnerstag Sicherheitschef und Leibwächter des russischen Präsidenten, wurde nach elf Jahren Dienst an Jelzins Seite zusammen mit zwei weiteren „Falken“ gefeuert.

Mit zwanzig Jahren dem KGB beigetreten, wurde er schon 1985 Leibwächter Jelzins, der damals Stadtparteichef von Moskau war. Jelzin selbst schrieb über Korschakow, daß der ihm auf dem Tiefpunkt seiner Karriere angeboten habe, kostenlos für seine Sicherheit als Parteichef zu sorgen. Überallhin folgte der Mann mit dem finsteren Blick künftig seinem Chef wie ein Schatten und erwarb sich durch fast bedingungslose Loyalität das persönliche und politische Vertrauen Jelzins.

Sein Verhalten während des Putsches im August 1991 und den Unruhen vom Oktober 1993 zahlte sich aus: Jelzin ernannte ihn 1992 zum General und später zum alleinigen Chef einer Spezialeinheit. Sie soll zuletzt 20.000 Mitglieder gehabt haben, ein eigenes Forschungsinstitut mit einbezogen. Aus diesen Quellen zog Korschakow, der offene Gegner von allzu weitreichenden Reformen, das Wissen und die Informationen, mit denen er Boris Jelzin regelmäßig fütterte. Und der Präsident vertraute und glaubte ihm. Mehr und mehr jedoch emanzipierte sich der Befürworter und Drahtzieher des Tschetschenien-Feldzuges von seinem Mentor und glaubte, sich mehr Eigenmächtigkeiten leisten zu können. Der KGB- Mann mischte sich unter anderem in die Wirtschaftspolitik ein, als er Premierminister Viktor Tschernomyrdin die Freigabe des Ölexports verbot. Mit engen Kontakten zum militärisch-industriellen Komplex nahm Korschakow auch Einfluß auf die Waffenexportpolitik Rußlands, nicht nur nach Exjugoslawien.

Ohne deswegen gerügt zu werden, konnte seine eigene Truppe im Januar dieses Jahres ungehindert gegen die Leibwächter des Präsidenten der Mosbank vorgehen und diese brutal zusammenschlagen. Jelzin schwieg dazu.

Dennoch muß das immer eigenmächtigere Handeln des omnipräsenten Leibwächters auch dem Präsidenten mehr und mehr mißfallen haben. Jelzin witterte eine Palastrevolte; trotz des knappen Wahlausgangs fühlte er sich stark genug, sich der Risikogruppe um Korschakow zu entledigen. Tobias von Heymann