Liberalisierung für Große

■ EU-Energieminister einigen sich auf eine Liberalisierung des Energiemarktes, die Großkunden nützt, ohne Europas Stromkonzernen allzu weh zu tun

Seit acht Jahren versucht die Kommission der EU im Strommarkt Europas den freien Wettberb einzuführen. Einen Tag vor dem Gipfeltreffen der Ministerpräsidenten in Florenz konnte Italiens Energieminister einen Erfolg verkünden. Auf einer Sondersitzung hatten sich am Donnerstag nachmittag seine Kollegen einstimmig auf einen Kompromiß geeinigt.

Im wesentlichen stützt sich der Beschluß auf Vorschläge Deutschlands und Frankreichs. Er sieht vor, daß nach dem 1. Januar 1999 Kunden, die im Jahr mindestens 40 Gigawattstunden Strom verbrauchen, selbst entscheiden dürfen, mit wem sie einen Vertrag abschließen wollen – in Deutschland sind bisher auch solche Spitzenverbraucher an die Gebietsabsprachen der Energiekonzerne gebunden.

Die Schwelle von 40 Gigawattstunden würden heute Stromkunden überschreiten, die etwa 25 Prozent des Energiemarktes abdecken. Nach drei Jahren soll die Einstiegsschwelle auf 20 Gigawatt und nach weiteren drei Jahren auf 9 Gigawatt gesenkt werden. Diese letzte Stufe würde einer Marktöffnung von 33 Prozent entsprechen. Nach neun Jahren soll der Markt überprüft und weitere Schritte beschlossen werden.

Mehrere Mitgliedsländer, darunter Deutschland und Großbritannien, hatten auf noch schnellere Freigabe für den Wettbewerb bestanden. Sie kamen mit dieser Forderung aber vor allem wegen des Widerstandes Frankreichs, wo Électricité de France (EDF) praktisch eine Monopolstellung hat, nicht durch. Deutschland legte deshalb Zustimmungsvorbehalt bis zum 1. Juli ein, um das Ergebnis zu Hause den Parteien zu erläutern. Staatssekretär Lorenz Schomerus vom Bundeswirtschaftsministerium meinte trotzdem, der Kompromiß sei „ein guter Start in die Stromliberalisierung“.

Konkurrenz haben die Stromkonzerne deswegen noch lange nicht zu befürchten. Der Kompromiß erlaubt den Mitgliedsländern, selber darüber zu bestimmen, welche Großkunden von den Monopolregeln befreit werden. Neben industriellen Betrieben können auch kommunale Versorgungsunternehmen ausgewählt werden.

Auch die Forderung der deutschen Stromwirtschaft nach einem Schutz vor der französischen Übermacht wurde berücksichtigt. Falls ein Land seinen Markt weiter öffnen will, soll eine Schutzklausel sicherstellen, daß es bei grenzüberschreitenden Stromlieferungen zu keinem größeren Ungleichgewicht kommt. Nur mit dem Hinweis auf eine „öffentliche Dienstleistungspflicht“ kann man die lästige Konkurrenz nicht mehr ausschließen. nh