Einfallstor für Aidsvirus gefunden

■ US-Forscher entdeckten ein weiteres Schlüsselprotein für die Infektion mit HIV

Unabhängig voneinander präsentierten vergangene Woche gleich fünf US-Forscherteams Ergebnisse, wonach ein weiterer „Schlüssel“ für die Infektion mit dem Aidsvirus identifiziert worden ist. Es handelt sich dabei um ein Oberflächenprotein der Immunzellen, CC-CKR5 genannt, das bislang lediglich als Rezeptor für körpereigene, hormonähnliche Stoffe bekannt war. Zusammen mit dem bereits 1989 entdeckten CD4-Protein scheint der CC-CKR5-Rezeptor ein Eindringen der Erbsubstanz der HI-Viren in die Zellen des menschlichen Immunsystems zu ermöglichen. Während das Oberflächenprotein CD4 für die Anlagerung der Aidsviren an die Immunzellen verantwortlich ist, sei der jetzt entdeckte Rezeptor das „Einlaßtor“ für das Virus, berichtet Nathaniel Landau vom Aaron Diamond Aids Research Center in New York.

Die Forscher gehen davon aus, daß die Zellhüllen der T-Lymphozyten und der Makrophagen, also derjenigen Zellen des menschlichen Immunsystems, die die Hauptangriffspunkte des Virus sind, mit diesen beiden Rezeptoren ausgestattet sein müssen, damit das HI-Virus dort andocken und seine Erbinformation in die Zelle einspeisen kann. Der Untersuchung der Rezeptoren wandte man sich zu, weil immer wieder Fälle auftreten, in denen sich Menschen trotz wiederholten Kontakts mit dem HIV-Virus nicht infizieren. Im vergangenen Jahr konnte der Aids-Forscher Robert Gallo nachweisen, daß eine Gruppe von Zellbotenstoffen, die Beta-Chemokine, die Vermehrung der HI- Viren unterdrücken kann. Man ging davon aus, daß die vermehrte Ausschüttung von Chemokinen den Körper resistent macht gegen eine HIV-Infektion. Die Vermutung lag nahe, daß die Andockstellen für die Chemokine auch eine wichtige Funktion beim HIV-Infektionsverlauf haben. Vor vier Wochen erst präsentierte ein Forscherteam ein ersten Rezeptorprotein, Fusin genannt, das zusammen mit dem CD4 die Vermehrung eines bestimmten HIV-Typs in T4-Lymphozyten ermöglichte. Dem jetzt gefundenen dritten Protein, CC-CKR5, das auch in der Hülle anderer Immunzellen vorhanden ist, wird dagegen eine zentrale Rolle bei der Vermehrung des HIV-1 zugeschrieben.

Die Hoffnungen der Forscher konzentrieren sich jetzt darauf, eine Substanz zu finden, mit der die Rezeptoren wirkungsvoll blockiert werden können. Da jedoch die CC-CKR5-Rezeptoren auf vielen verschiedenen Zelltypen zu finden sind, könnten die Nebenwirkungen eines derartigen Medikaments beträchtlich sein.

Auch bei Krankheiten wie Arthritis, Alzheimer, Asthma, Malaria und sogar Krebs sollen die Chemokine eine wichtige Rolle spielen. Daher steht die Pharmaindustrie diesen Forschungsergebnissen natürlich alles andere als gleichgültig gegenüber. Mit Wirkstoffen, die in die Chemokinfunktionen eingreifen, könnte eine ganz neue Gruppe von Medikamenten nicht nur zur Behandlung von Aids auf den Markt gebracht werden. Alexandra Seitz