Grüne Verlustpunkte

■ BUND-Vorwurf: Duales System schönt Zahlen bei Abfallverwertung

Berlin (taz) – Der Patient schwebt nicht mehr in Lebensgefahr, doch seine Lage ist weiterhin ernst. So läßt sich die wirtschaftliche Situation des Dualen Systems Deutschland GmbH (DSD) beschreiben, das gestern in Köln seine Bilanz für das Jahr 1995 vorstellte. Die Gesellschaft für die Beseitigung von Joghurtbechern, Altglas und anderen Verpackungsmaterialien wies für das vergangene Jahr einen Bilanzverlust von 385 Millionen Mark aus. Der aus 1993 stammende Verlustvortrag konnte jedoch um 575 Millionen reduziert werden. „Die Finanzierungskrise ist damit endgültig überwunden“, sagte DSD-Geschäftsführer Wolfram Brück gestern.

Durch die Lizenzgebühren, die die Verpackungshersteller für das Symbol „Grüner Punkt“ bezahlen, hat das Duale System im vergangenen Jahr vier Milliarden Mark eingenommen. 3,8 Milliarden gab die Gesellschaft aus für Firmen, die die Verpackungen sammeln, sortieren und recyceln. Insgesamt blieb 1995 zwar ein Gewinn von rund 154 Millionen Mark. Dieses Geld mußte aber eingesetzt werden, um den Bilanzverlust aus 1993 zu reduzieren. Die Miesen konnten zudem verringert werden, weil Handel und Industrie auf 420 Millionen Mark Darlehen und Zinsen verzichteten – Geld, mit dem das DSD 1993 vor der Pleite gerettet worden war.

Die in der Verpackungsverordnung vorgesehenen Quoten für Müllsammlung und -verwertung hat das DSD nach eigenen Angaben für 1995 erfüllt. Bei Altglas wurden statt der vorgeschriebenen 57 Prozent des deutschen Gesamtverbrauchs sogar 82 Prozent eingeschmolzen. Erfolg angeblich auch bei Weißblech: Statt 49 Prozent erzielten die Müllspezialisten 64 Prozent.

„Wir glauben der Rechnung des DSD nicht“, wendet allerdings Olaf Bandt, der Abfallexperte des BUND, ein. Um die Verwertungsquoten zu erreichen, werde die Bezugsgröße – die jährliche Menge der hierzulande verkauften Verpackungen – „systematisch heruntergerechnet“, so der Umweltschützer.

Beispiel Weißblech: Nach Informationen des DSD hat der Verbrauch 1995 um 35 Prozent abgenommen. Der BUND hingegen fragte bei den Herstellerfirmen nach, die im vergangenen Jahr sieben Prozent mehr abgesetzt haben wollen. Würden diese höheren Angaben der Hersteller zugrundegelegt, müßte sich das Duale System nach der Decke strecken, um das Ziel zu erreichen.

Schon jetzt ist absehbar, daß die Müllsammler 1996 mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen haben werden. Bei Kunststoffen, Weißblech, Verbunden und Aluminium lag die Verwertung Ende 1995 erheblich unter dem, was 1996 erreicht werden muß. Damit das nicht so bleibt, ist Bundesumweltministerin Angela Merkel gerade dabei, die Quoten der Verpackungsordnung zu reduzieren. Der entsprechende Novellierungsentwurf steckt gerade in der Abstimmung zwischen den Bonner Ministerien. Hannes Koch