Statt Bahn und Bus lieber Tunnelverdruß

Die Münchner stimmten mit hauchdünner Mehrheit für den Bau von drei milliardenteuren Tunnels. Die Finanzierung ist noch ungeklärt – und der verkehrsentlastende Effekt umstritten. Gegner favorisieren Bahn und Bus  ■ Aus München Felix Berth

Politiker gelten gemeinhin als Wesen, die sich jeder Kamera und jedem Fotoapparat unterwerfen. Sie grinsen auf Kommando und halten blödsinnig große Schecks der örtlichen Sparkasse vor ihren Bauch. Doch manchmal geht den Fotografen diese Macht über die Mächtigen verloren. Und so konnte einem der Bildreporter fast leid tun, wie er am Sonntag abend immer wieder bettelte: „Könnten Sie vielleicht zum anderen Bildschirm gehen, dort bekäme ich Sie alle aufs Bild?“ Doch die Politprominenz von Strauß-Tochter Monika Hohlmeier bis zum Münchner Oberbürgermeister Christian Ude rührte sich keinen Millimeter.

Denn auf den Bildschrimen lief in diesen Minuten eine langsame, stetige Aufholjagd. Es war nur noch eine Frage von Minuten, bis der Anfangsvorsprung der Tunnelgegner aufgezehrt wäre – und keiner wollte die entscheidende Sekunde verpassen. Um 19 Uhr 57 sprang dann das Bild um: Erstmals meldete der Zentralrechner 50,3 Prozent für die Tunnels am Mittleren Ring. Dem bulligen Nacken des CSU-Fraktionschefs Hans Podiuk entfuhr ein langgezogenes Ja, wie man es in politischen Regionen eher selten hört, gefolgt von einem befriedigten Lächeln.

Zu diesem Zeitpunkt, zwei Stunden nach Schließung der Wahllokale am Sonntag abend, war bereits klar, daß dieser Trend sich stabilisieren würde. Um 21 Uhr 30 waren dann alle Stimmen ausgezählt, und die CSU mit ihren Anhängern von FDP über ADAC bis hin zum nationalistischen „Bund freier Bürger“ hatte einen knappen Erfolg zu feiern: 50,7 Prozent der Wähler stimmten – bei einer Wahlbeteiligung von 32 Prozent – für die drei Tunnels am Mittleren Ring, einer Straße rund um die Innenstadt. Mit dem Bau der drei Unterführungen soll der zähe Verkehr flüssiger werden. Was die Gegner bestreiten. Sie erreichten mit ihrem Alternativ-Bürgerbegehren, das statt Tunnels den öffentlichen Verkehr fördern wollte, 49,3 Prozent – spätestens zu der Zeit half kein Hoffen mehr, daß vielleicht noch ein paar Zehntelprozent hinzukommen könnten.

Zuvor, kurz nach 18 Uhr, waren viele noch unsicher, wie die merkwürdigen Daten auf den Bildschirmen zu werten seien. Demnach hatten die Münchner Wähler mehrheitlich geantwortet, daß sie einen Ausbau des Mittleren Rings forderten: 55 Prozent waren dafür. Gleichzeitig hatte eine Mehrheit ebenfalls bekundet, daß sie das Alternativ- Bürgerbegehren ebenfalls richtig fand: Über 60 Prozent hatten bei diesem zweiten Vorschlag ebenfalls mit Ja geantwortet.

Dieses Bejahende, das den Münchner Wähler offenbar auszeichnet, hatten die Stadtpolitiker bereits vorausgesehen und vorsichtshalber eine Stichfrage gestellt: Wenn beide Vorschläge eine Mehrheit bekommen, welcher soll dann gelten? Und hier fand dann eben die entscheidende Aufholjagd statt, die um 19 Uhr 57 ihren Höhepunkt und anderthalb Stunden später ihr Ende fand: 50,7 Prozent stimmten pro Tunnels.

Wann nun mit dem Bau der drei etwa zwei Milliarden Mark teuren Tunnels begonnen werden kann, war auch am Tag danach noch unklar. Denn selbst für den einen Tunnel, den die CSU am liebsten morgen buddeln würde, ist das Planungsverfahren noch nicht zu Ende. Ein paar Klagen dagegen laufen auch noch, und so wird es bis zum ersten Spatenstich wohl noch ein paar Monate dauern.

In diesen Monaten wird die Tunneldiskussion weitergehen wie bisher. Denn noch immer ist ja unklar, woher die Stadt die notwendigen Millionen nehmen soll. Oberbürgermeister Christian Ude erklärte gestern, nun müsse die CSU zeigen, daß das so billig geht, wie die Konservativen immer versprochen hatten. Zwar will Ude das Votum der Bürger respektieren, doch sein Arbeitsauftrag an die Stadtverwaltung formuliert die niedrig kalkulierten CSU-Preise als Obergrenze – „dieses Kostenlimit muß eingehalten werden“, erklärte er.Kommentar Seite 10