Aussagen wichtiger Zeugen unterbewertet

■ Juristen aus europäischen Ländern beklagen einseitige Ermittlungen zum Brand im Lübecker Asylbewerberheim. Den Anklägern Rechtslastigkeit vorgeworfen

Lübeck (taz) – Die Lübecker Staatsanwaltschaft ist im Zusammenhang mit dem Brand in einem Asylbewerberheim erneut heftig in die Kritik geraten. Den Anklägern wird nicht nur mangelnde Objektivität, sondern sogar Rechtslastigkeit vorgeworfen. Die Lübecker Staatsanwaltschaft ist auf dem rechten Auge blind, sagte die deutsch-französische Journalisten Beate Klarsfeld gestern in Lübeck nach der zweiten Sitzung der Internationalen Unabhängigen Kommission (IUK), in der sich neun Juristen aus europäischen Ländern auf Initiative der Verteidigerin von Safwan E. zusammengefunden haben.

Bei dem Brand am 18. Januar waren zehn Menschen ums Leben gekommen, mehr als 30 verletzt worden. Der junge Libanese Safwan E., der mit seiner Familie in dem Haus wohnte, sitzt als mutmaßlicher Brandstifter seit fünf Monaten in Untersuchungshaft. In der Anklage wirft die Staatsanwaltschaft E. besonders schwere Brandstiftung mit fahrlässiger Körperverletzung vor. Die Anklage stützt sich vor allem auf die Aussage eines Rettungssanitäters, gegenüber dem Safwan E. in der Brandnacht gesagt haben soll: „Wir waren's“ und Einzelheiten des Tathergangs geschildert haben soll.

Für die IUK wurde die Aussage des Sanitäters zu „einem Geständnis hochstilisiert“. Unbeachtet geblieben sei dagegen, daß diese Aussage in sich widersprüchlich sei. Es gebe vier Personen, die bezeugten, daß der Beschuldigte nach dem Brand erklärt habe, es habe sich um einen Anschlag gehandelt. Unbegreiflich ist es für die IUK, warum die Ermittlungen gegen die zunächst vorläufig festgenommenen vier Jugendlichen, die der rechtsradikalen Szene zugerechnet werden, eingestellt wurden. Die Begründungen der Staatsanwaltschaft werfen nach Ansicht der IUK mehr Fragen als Antworten auf. Und die IUK weist darauf hin, daß einer der vier derzeit wegen der Schändung jüdischer Gräber angeklagt sei. Am Donnerstag findet erneut ein Haftprüfungstermin für Safwan E. statt, diesmal wird ein Jugendrichter entscheiden. Kersten Kampe