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Lyrische Maschinen

■ Heute im Café Grün: Lesung des katalanischen Autors Enric Casassas

Jahrelang galt Enric Casassas als der Geheimtip der katalanischen Underground-Literatur. Seine Gedichte verbreitete er in verrauchten Kneipen, am Tresen verrufener Bars oder unter dem sommerlichen Himmel eines Dorfplatzes. Nur in kleinen Kreisen hatte man die gelegenheit, seinen wundersamen Sprachkonzerten zu lauschen. Jedes seiner Gedichte wirkt wie eine kleine Klangmaschine. Heute abend ist Casassas bei einer Lesung im Bremer „Café Grün“ zu erleben; er stellt sein neues Programm namens „Der Zahnstocherdom“ vor.

Wie ein echter Troubadour, der die überall lauernde Poesie im Barcelona des späten 20. Jahrhunderts auffängt und weiter in Umlauf bringt, verbindet Casassas Psychedelia mit Minnegesang. Bob Dylan trifft Burroghs und Ramon Llull. Anfang der 90er Jahre wurde der Dichter von den Wächtern der katalanischen Literatur entdeckt. Es fand sich ein Verleger, der bereit war, die hübschen Laute in Buchform zu bringen. 1991 sah der erste Lyrikband das Licht des Gutenbergs. Auf dem Markt explodierte „Das Ding da“ („La cosa aquella“) wie ein kleiner Molotow-Cocktail in der sanft vor sich hin schlummernden Poesieabteilung. Die Kritiker waren des Lobes voll, mancher geriet gar in Ekstase.

Es folgten weitere Bücher und mehrere Auszeichnungen. Doch immer noch sieht Casassas ein Gedicht erst dann als vollständig verwirklicht an, wenn er es vor Publikum vorträgt. Nur so überwindet er die Einsamkeit des Schreibenden. Wie ein Seiltänzer erzeugt der Wortakrobat bei seinen Lesungen eine spannende Atmosphäre – vor dem Absturz bewahrt ihn stets die Erwartung seiner Zuhörer.

„Der Zahnstocherdom“ lautet der Titel seines aktuellen Programms. Eine Mischung aus sehr raffinierten, literarischen Kunststücken und Texten über alltägliche und prosaische Dinge – wie der Zahnstocher, der so selbstverständlich wie Messer und Gabel auf den südländischen Mittagstisch gehört. Assumpta Terés

Heute um 20 Uhr im Café Grün, Fedelhören

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