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■ Nachschlag"Keep the Mitte": ein Tanzfestival im Tacheles, das fast alles hat

Die Idee ist großartig, und die Leute vom Tacheles haben keine Mühe gescheut, ihr Tanzfestival „Keep the Mitte“ als ein Brot- und-Spiele-Fest zu inszenieren. Der Theatersaal ist umgebaut, die Zuschauer sind an den Rändern, etwa eineinhalb Meter über der Bühne, plaziert und schauen auf das Geschehen herab. Statt Löwen werden hier insgesamt fünf Kompagnien ihre mehr oder minder nackten, mehr oder minder bewegten Körper den Zuschauern präsentieren. Während der Umbaupausen, die von wild scheppernder Live-Musik begleitet sind, werden aus der Tiefe der Bühnenmitte Gläser gereicht und Wein und Wasser ausgeschenkt. Später, zum krönenden Abschluß, wird es gegen einen Bon von 7 Mark noch ein Essen geben. So weit, so schön. Nur das Wichtigste hat man irgendwie vergessen: die Kunst.

Cathrin Hourihan, die aus dem fernen Australien hierhergekommen ist und mit dem Solo „Neverness“ den Abend eröffnet, verfügt über die Ausdrucksmöglichkeiten einer Volkshochschulabsolventin, Modern Dance, Einführungskurs. Verkrampft quält sie sich durch filmisch angeflimmerte Gazeschleier, die sie, husch, mit einem Ruck auf ihren Körper fallen läßt, um nun aus diesem Stoffgeknäuel ein Beinchen zu strecken und, expressionistisch angehaucht, den Kampf mit dem Material aufzunehmen. Anders verhält es sich bei Remo Rostagno, der vom Theater aus der Zeche Bochum kommt und in einem 40minütigen Solo frei nach Genet den „Seiltänzer“ gibt. Remo Rostagno verfügt über Bühnenpräsenz und Ausdruckskraft, und seine minimalistischen Bewegungen zeugen von wirklichem Können, aber er verschwendet seine Ernsthaftigkeit und Kraft an die falsche Sache: Mit lehmverschmiertem Gesicht verbohrt er sich in verquast-existentialistischen Siebziger- Jahre-Quatsch der schlimmsten Sorte.

Es folgt Jan Pusch und seine vierköpfige Kompagnie mit „Not for free“. Das ist zwar lustiger, und immerhin können die beiden Frauen auch ein wenig tanzen, aber die Bewegungsphantasie des Choreographen liegt weit unter dem, was heute in jeder zweiten Szene- Disco geboten wird, und der medientheoretische Ansatz von „Not for free“ ist in seiner Unintelligenz mehr als lächerlich. Danach ist die Rezensentin, im Glauben noch drei weitere Gruppen vor sich zu haben, gegangen. Und dachte, auch das aus London kommende (auch andernorts gastierende und deswegen vielleicht nicht so katastrophal schlechte) Barriedale Operahouse nicht mehr sehen zu können. Deren im Programm angekündigtes „Orange and Inbetween“ wurde jedoch gar nicht gezeigt. Nach zwei Tagen Lichtproben, so erzählte der Choreograph, habe die Gruppe am Tage der Aufführung erfahren, daß sie ein kürzeres Stück spielen solle. Sonst würde der Abend zu lang. Michaela Schlagenwerth

Programm I: 27./29.6., Programm II: 28./30.6., 21 Uhr, Details erfragen, Tacheles, Oranienburger Straße 54–56 a, Tel.: 2826185

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