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Disneyland in Kreuzberg

■ Die Hochbahn der U1 soll nicht nach Denkmalschutzrichtlinien saniert, sondern nach alten Vorbildern neugebaut werden. Strieder: "Vorgehen der BVG barbarisch"

Bei der Sanierung der U-Bahn- Linie 1 in Kreuzberg zieht der Denkmalschutz den kürzeren. Das Hochbahnviadukt in Höhe des Lausitzer Platzes soll nicht saniert, sondern mit alter Fassade neu gebaut werden. Durch eine „gestalterische Ergänzung der Stahlträger“ soll auf das Stadtbild Rücksicht genommen werden, erklärte gestern Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD). Die BVG solle verpflichtet werden, die Steinpfeiler der Hochbahn zu erhalten und die Fachwerkbrücken nachzubauen. „Diese Lösung ist der Abschied vom Denkmalschutz“, meinte Strieder, der aber den Vorschlag dennoch verteidigte: Alle anderen Varianten seien zu teuer.

Strieder forderte die untere Denkmalschutzbehörde Kreuzberg auf, der BVG eine entsprechende denkmalrechtliche Genehmigung zu erteilen. Bisher hatte der Bezirk auf einer Sanierung der Hochbahn bestanden und einen Neubau abgelehnt. Mit der Aufforderung an Kreuzberg, die er notfalls auch auf dem Weg der Weisung gegen den Bezirk durchzusetzen bereit ist, will der Stadtentwicklungssenator den monatelangen Stillstand bei der Sanierung der Hochbahn beenden. Im Frühjahr hatte Kreuzberg einen Baustopp verhängt, nachdem sich gezeigt hatte, daß die BVG ohne Genehmigung der Denkmalbehörde mit der Erneuerung der Stahlkonstruktion begonnen hatte.

Dem ehemaligen Kreuzberger Bürgermeister Strieder hatte sein Amtsnachfolger Franz Schulz (Bündnis 90/ Grüne) vorgeworfen, eine „einseitige Fehlentscheidung“ zu treffen. Die denkmalgerechte Lösung könne durch Einsparung bei der Pfeilersanierung genauso teuer gemacht werden wie die Neubaulösung der BVG. Dem widersprach Strieder: Eine denkmalgerechte Sanierung koste fünf bis zehn Millionen Mark extra. Dieses Geld habe aber weder das Land noch der Bezirk. Ein weiterer Stillstand bei der Sanierung sei aber „verkehrspolitisch nicht mehr zu vertreten“.

Die BVG begrüßte Strieders Vorschlag, bekam aber vom Senator einen ordentlichen Rüffel: „Ohne ein so barbarisches Vorgehen der BVG wäre es möglich gewesen, das Baudenkmal Hochbahn zu erhalten“, meinte der Stadtentwicklungssenator. Wenn von Anfang an mit einer konservierenden Methode und nicht mit dem Holzhammer gearbeitet worden wäre, wäre die Maßnahme auch im Kostenrahmen der Sanierung von etwa 50 Millionen Mark geblieben. „Die Hochbahn ist ein ausgewiesenes Baudenkmal“, meinte Helmut Engel, Leiter der obersten Denkmalschutzbehörde. „Eigentlich können wir es uns den Verlust eines solchen Denkmals nicht leisten.“

Damit in Zukunft bei absehbaren Sanierungsprojekten von Brücken und Viadukten der Denkmalschutz nicht ebenso unter die Räder kommt, hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ein Forschungsvorhaben angestoßen, bei dem die Konstruktionen dieser Bauten und Methoden zu ihrer Konservierung überprüft werden sollen. Bernhard Pötter

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