Betr.: Tom Kuppinger

Tom Kuppinger ist tot. Der schwule Journalist und frühere taz-Kollege starb am Dienstag in Berlin an den Folgen der Immunschwächekrankheit Aids. Er wurde 36 Jahre alt. Kuppinger arbeitete in den Jahren 1989 und 1990 als Chef vom Dienst im Berliner Lokalteil; auch in den Jahren danach war er als freier Journalist für die taz tätig. Der Absolvent der Münchner Journalistenschule und studierte Publizist kam vom Spandauer Volksblatt zur taz.

Kennzeichen seiner Arbeit als Journalist war eine unprätentiöse Authentizität; seine Sozialreportagen, Portraits und Interviews waren engagiert, aber nie „rührend“. Kuppinger idyllisierte nicht, wenn er über Sozialhilfeempfänger, Obdachlose, Hausbesetzer oder Behinderte schrieb. Er stellte lieber Fragen. Etwa die nach dem Umgang verschiedener diskriminierter Minderheiten untereinander: „Müssen gerade die toleranter sein, die ständig Toleranz einzuklagen gezwungen sind? Müssen die, die niedergeschlagen werden, nach jedem Hieb auch noch aufstehen und jedesmal noch ein bißchen toleranter geworden sein?“

Die Kritik seiner Kommentare kam ohne Schnörkel und Technokratenslang aus. Beispielsweise, wenn er die Kranzniederlegung von Schwulenorganisationen an der Berliner Neuen Wache als „Homo-Bitburg“ geißelte.

Kuppingers Konzept von linker Lokalberichterstattung bewegte sich zwischen Kampagnenjournalismus, boulevardesken, humorvollen Elementen und einer besonderen Beobachtung der Communities, Szenen und Subkulturen Berlins. Seine Idee, an den Widersprüchen von „Multikulti“ entlang publizistisch Politik zu machen, hatte es in der Phase der nationalen Aufwallungen im Gefolge der „Wiedervereinigung“ gerade auch in der taz nicht besonders leicht.

Kuppinger verließ die Zeitung Ende 1990 und wechselte zum Stadtmagazin zitty, wo er drei Jahre lang als Redakteur für Magazinthemen und Alltagskultur arbeitete. Seit 1994 war er als freier Journalist u.a. für die Woche, die Zeit sowie magnus und den Freibeuter tätig. Neben der politischen Kultur und Sozialthemen widmete er sich besonders der Schwulen-, HIV- und Aidsbewegung. Kuppinger engagierte sich nicht nur journalistisch: Er setzte sich für das Berliner Café PositHIV ein, begleitete als Kritiker die Arbeit der Aids-Hilfe und unterstützte die Annäherung zwischen Schwulenprojekten und der Polizei. Auch versuchte er „Ellis Bierbar“ zu retten, die ständig von der Pleite bedrohte älteste Schwulenkneipe Berlins.

Über das schwierige Verhältnis zwischen Schwulenbewegung und Aids-Bewegung schrieb Kuppinger in einer taz-Spezialausgabe zum Christopher Street Day 1994. Politische Interessen der Schwulenbewegung und die Bürokratisierung des Systems der Aids- Hilfen hätten hier zu einer „säuberlichen Trennung“ geführt, die nicht länger akzeptabel sei: „Die ideelle Trennung von Schwulen- und Aids-Themen führt im realen Leben eines Menschen dann leicht zu einer Überweisung von einer Szene in die nächste, aus dem Schwulen wird bei Krankheitsbeginn ein Aidskranker. Zehn Jahre Aids-Bewegung – das heißt auch, das Leiden wurde delegiert. (...) Wenn also die Schwulenbewegung ihrem Anspruch nur im mindesten gerecht werden will, dann muß sie Aids wieder ganz oben auf die Tagesordnung setzen. Neu beginnen könnte man mit einer gemeinsamen Bestandsaufnahme des derzeit so schön weggeschminkten Elends.“ Hans-Hermann Kotte