Dann eben nicht

■ Premiere im Packhaus-Theater: „Liebe, Sex & Therapie“ – oder: Wie Sie schon immer ihre Beziehung ruinieren wollten

Ein langer Arm mit Schlafanzugärmel greift aus dem Bett nach dem Telefon: „Ach, Du bist es, Schatz“, die Stimme klingt plötzlich hellwach. „Nein. Ich bin schon lange auf.“ – „Zum Einkaufen bin ich noch nicht gekommen. Es ist auch kein Geld da.“ – „Ach, das hast Du mir auf den Küchentisch gelegt.“ – „War ich auch noch nicht. Na gut, ich geb's zu. Ich bin noch mal eingeschlafen.“

Eine Standardsituation, wie Eckard Henscheid sagen würde, wie sie nicht nur im Fußball, sondern in schöner Regelmäßigkeit auch in eheähnlichen Lebensgemeinschaften auftaucht. Und die spielt man im Packhaustheater aus. Bei der gestrigen Premiere von „Liebe, Sex und Therapie“ von Tony Dunham im Packhaustheater gings gleich zur Sache. Der Beziehungsalltag als solcher wurde am Beispiel Chris und Ulli aufs allerschönste vorgeführt. Der komische Effekt beruht dabei natürlich auf der erschreckenden Erkenntnis, die sich schon nach 2 Minuten Bühnengeschehen einstellt. Kommt einem alles irgendwie bekannt vor. Für den Zuschauer steigen damit die Identifikationsmöglichkeiten enorm. Die Variationsbreite ist denkbar gering: Entweder es geht um den gemeinsamen Abwasch oder die Kinderfrage, oder drittens, vielleicht noch um die unlösbarste aller Gretchenfragen, warum schlafen wir nicht mehr miteinander?

Wir Veteranen der modernen Beziehungen im Publikum beherrschen das Spiel sogar mit Kombinationsmöglichkeiten aus Problem a, b oder c. Ulli und Chris kommen dabei allerdings ins Straucheln. Kaum, daß Chris, die seit Jahren das Geld als Vermittlerin für Führungskräfte für den Osten verdient - „Wir habe uns darauf geeinigt, daß ich erst meine Dis fertig mache“ interpretiert Ulli die Vereinbarung großzügig - sich ein Kind wünscht, setzt bei Ulli chronische sexuelle Unlust ein. „Ich glaub ich hab's am Rücken“ Was will man da machen? Genauso ratlos wie im richtigen Leben ist Vera (Martina Rüggebrecht). Der schwesterliche Rat der feministisch geschulten Therapeutin für psycho-sexuelle Themen: „Leder, Spitze und das ganze Programm von Beate Uhse. Wenn's nicht klappt, dann hast du wenigstens ein paar schöne Schlüpfer.“ Als Chris (Heidi Jürgens) sich dann selbstbewußt zielstrebig daran macht, Ulli (Stefan Schneider) – „Sie ist mein bester Freund, aber Sex ist mir irgendwie zu persönlich mit ihr geworden“ – zu verführen, hält das Publikum den Atem an.

Bis zur Pause funktioniert die Komödie nach britischem Strickmuster schon am Premierenabend leicht und locker aus den Handgelenk. Im Wesentlichen liegt das am rasanten Tempo mit dem das Regieduo Andrea Krauledat und Rudolf Danker einen Anschluß an die Machart der englischen Filmkomödien gefunden hat. Auch die Schauspieler scheinen sich bei der atemberaubenden Geschwindigkeit gegenseitig zu überflügeln. Heidi Jürgens gelingt es sogar bei aller Komik, die Verletzlichkeit und den Kinderwusch der Karrierefrau „um die Anfang Dreißig“ in Zwischentönen mitzuspielen. Im Packhaustheater setzt man damit einen Weg fort, der schon im letzten Sommer mit „Traumfrau, verzweifelt gesucht“ erfolgreiches Boulevardtheater produzierte. Denn in die Komödie von Tony Dunham, die sich vorgenommen hat, mit der deutschen Schenkel-Klopf-Theater-Routine zu brechen, lockt die Fans von britischem Humor a la „A Fish Named Wanda“ ins Theater. Hier wackelt keine Kulisse, und kein Liebhaber wird im Kleiderschrank versteckt.

Nur wenn im zweiten Teil des Abend die Beziehungskrise nicht mehr zu kitten ist und Tony Dunham die Liebe an der Kinderfrage scheitern läßt, dann verliert die Inszenierung an Schärfe. Aber da mögen subjektive Faktoren eine Rolle spielen. Sowohl die Regisseurin Karudat als auch der Hauptdarsteller Schneider sind vor Probenbeginn Eltern geworden. Das mag eine Rolle spielen. Im Privaten ist die Kinderfrage schon gelöst, und wie so oft merkt man es der Kunst an, wenn kein Sublimationsbedarf besteht. Susanne Raubold

Nächste Vorstellungen: Täglich außer montags, jeweils 20.30 Uhr im Packhaustheater im Schoor, bis 31. August