Schieß bloß vernünftig!

■ Gespräch mit Antonin Panenka, der die CSSR vor zwanzig Jahren in Belgrad gegen das bundesdeutsche Team zum EM-Titel schoß

taz: Herr Panenka, war das eine spontane Idee, den Elfmeter sanft in die Mitte zu schießen statt vehement in die Ecke?

Panenka: Nicht ganz. Ich hatte das jahrelang im Training, in Vorbereitungsspielen und der tschechoslowakischen Liga probiert – die Erfolgsquote lag bei 99 Prozent. In Belgrad kam mir die Idee aber erst wenige Minuten davor.

Wußten Ihre Mitspieler davon?

Die meisten dachten es sich. Ivo Viktor, unser Torwart, nahm mich kurz vorher zur Seite und sagte: „Schieß bloß vernünftig, hörst du? Das ist das Finale der Europameisterschaft und kein Trainingsspiel.“ Wenn ich Quatsch machen würde, drohte er, würde er nie mehr mit mir das Hotelzimmer teilen.

Und was hat Sepp Maier zu Ihnen gesagt?

Damals gar nichts. Ich traf ihn letztes Jahr zum ersten Mal seit Belgrad: in Pilsen, zum Spiel einer Prominentenelf. Wir haben zwar gelacht über den Elfmeter, doch ich glaube, er ist immer noch sauer. Aber es war damals die leichteste Möglichkeit, ein Tor zu schießen. Der Maier hat sich ja immer in eine Ecke geworfen, da muß man einfach in die Mitte schießen. Ich wollte den nicht verarschen, ehrlich.

Nach seinem Tor im Spiel gegen die Bundesrepublik 1974 war Jürgen Sparwasser in der DDR bei vielen unbeliebt. Ihnen ging es anders.

Total, immerhin war das und ist noch der größte Erfolg unseres Fußballs. Und mich hat dieses Tor berühmt gemacht. Ich hatte nur Vorteile.

Sie durften in Österreich spielen.

Nicht gleich. Man mußte mindestes 32 Jahre alt sein und 45mal für die ČSSR gespielt haben, um ins Ausland zu wechseln. Von unserer Mannschaft waren das nur noch zwei andere. Für Rapid Wien entschied ich mich, weil meine Kinder dort in eine tschechische Schule gehen konnten. Ganz abgesehen davon, daß die dortige Liga nicht so anspruchsvoll ist wie die spanische oder belgische, von denen Angebote kamen. Außerdem ist Prag in der Nähe. Aber leicht war es nicht. Das größte Problem war die Sprache – ich konnte nur „gutten Tack“ und „Ein Bier bitte“ sagen. Als ich mehr konnte, habe ich mich in Wien sehr wohl gefühlt.

Für Sie war ein Vereinswechsel eine Sensation. Immerhin waren sie 23 relativ erfolglose Jahre bei Bohemians Prag.

In der ČSSR war ein Wechsel nicht leicht. Als ich mit Bohemians zum dritten Mal abgestiegen bin, wollte ich zu Sparta Prag. Aber der Vorstand hat nein gesagt. Was wollte ich machen?

Ihr Nationaltrainer hätte doch sagen können: „Der Panenka muß in der ersten Liga spielen, damit er in Form bleibt.“

Das hätte er auch gesagt, wenn die politischen Verhältnisse andere gewesen wären. So konnte er sich das nicht leisten.

Wie war Ihr Lebensstandard, als Sie zu spielen aufhörten?

Leider sehr bescheiden. Am Ende meiner Karriere besaß ich eine schlecht eingerichtete Wohnung und einen alten Lada. Offiziell war ich Dreher in einer Maschinenfirma, Fußballprofis gab es nicht.

Sie besitzen heute ein Sportgeschäft und sind Co-Trainer von Bohemians. Was würden Sie zu einem Spieler sagen, der in einer wichtigen Begegnung einen Elfmeter so schießt wie Sie 1976 – und es wird kein Tor?

Ich wäre ganz schön sauer. Interview: Wolfgang Jung