Immer wo's zum Himmel stinkt

■ In Madrid macht ein Stadtteilsender Programme von unten für unten

Maria ist zufrieden. „Endlich kann ich nachts wieder durch den Park, ohne Angst zu haben.“ Ihr Freund Pedro stimmt ihr zu. „Das waren ja vorher unhaltbare Zustände hier. Die Laternen kaputt, überall lagen Müll und zerschlagene Flaschen herum, die Parkbänke waren zum Großteil abgebrannt oder sonstwie zerstört.“ Der Interviewer bedankt sich, die Kamerafrau nimmt ihre handliche Videokamera herunter, die Bilder sind im Kasten, ein freundliches „Adiós“, und sie gehen weiter.

Woche für Woche streichen Manuel Fuertes (39) und Luci Garcia del Toro (33) mit ihrer Videokamera durch Vallecas, den Arbeiterstadtteil im Süden Madrids, der unter der Franco-Diktatur wegen seiner Widerstandsgruppen als rot verschrien war. Ständig sind die beiden auf der Suche nach Themen für ihr Umweltprogramm im Stadtteilfernsehen Tele K. Von der gerade fertiggestellten Müllverbrennungsanlage nebenan, über Mülltrennung, Recycling, den Umgang mit gefährlichen Substanzen am Arbeitsplatz bis hin zu den Protesten gegen die Atomtests in Moruroa im letzten Herbst reichen die Reportagen in der halbstündigen Sendung. Jeden Freitagabend.

Heute drehen sie für den Ökobriefkasten. „Bei jeder Sendung suchen wir ein Thema, das sozusagen zum Himmel stinkt“, erklärt Luci das Konzept dieser Fünf-Minuten-Rubrik. „Oft rufen die Nachbarn an, um sich über irgend etwas zu beschweren. Wir gehen der Sache dann nach und versuchen durch unser Programm, die Verantwortlichen unter Zugzwang zu setzen.“ Vor vier Wochen wurde der Park inmitten öder Wohnblocks oder, besser: die Müllhalde, die er damals war, als schwarzen Fleck der Woche vorgestellt. „Es vergingen keine drei Tage, und die Gärtner von der Stadtverwaltung rückten an, um aufzuräumen“, sagt Manuel.

1992 entstand die Idee, hier im Stadtteil Vallecas Fernsehen zu machen. „Wir zogen von Verein zu Verein, um für die nötige Unterstützung zu werben“, erzählen Luci und Manuel, die seit Anfang an bei Tele K dabei sind. Ein Jahr später war es dann soweit. Mit dem gespendeten Startkapital von 350.000 Mark mieteten sie Büroräume an, kauften drei Kameras und zwei Schneidetische. „Alles Super VHS, zum professionellen Betacam reichte das Geld nicht“, so Manuel. 250.000 Einwohner können Tele K direkt über die Hausantenne empfangen. Drei Personen leben mittlerweile von der Arbeit beim Sender, der Rest sind Freizeitjournalisten. „Um die 100“, erzählen die beiden stolz.

Manuel und Luci haben neue Opfer ausgemacht. Auf dem Weg kommt ihnen ein Ehepaar, Ende Dreißig, mit Tochter im Vorschulalter entgegen. „Guten Tag, wir sind vom Stadtteilfernsehen Tele K, hättet ihr einen Augenblick Zeit?“ fragt Manuel höflich. Vater und Tochter gehen weiter, die Frau bleibt begeistert stehen. „Tele K? Klar, für euch immer.“ Luci dirigiert Manuel und seine Interviewpartnerin hin und her, bis sie richtig stehen. Ja, das mit dem Park sei gut so. „Jetzt können die Kinder hier wieder spielen“, antwortet auch die Frau sichtlich zufrieden. Luci gibt Manuel einen Wink, die Szene ist beendet.

„Manchmal brauch' ich halt etwas länger“, entschuldigt sich Luci für das ewige Rumkommandieren jedesmal vor Aufnahmebeginn. „Aber wir haben einen hohen Qualitätsanspruch.“ Auch wenn fast alle bei Tele K Autodidakten sind, das Ergebnis kann sich sehen lassen. Dreieinhalb Stunden täglich wird gesendet, ab 19.30 Uhr Zeichentrickfilm für die Kleinen, dann eine halbe Stunde Nachrichten, danach Spezialprogramme: über Musikgruppen aus dem Stadtteil, junge Filmemacher, Sport oder Umweltprobleme. Immer originell produziert und peppig geschnitten. Jedes Programm hat seine eigene Redaktion, die für die Inhalte selbst verantwortlich ist. Finanziert wird das Ganze über Anzeigen von Geschäften im Stadtteil und über Kurse „Wie mache ich Fernsehen“.

Die beiden haben beschlossen, noch eine letzte Umfrage zu starten. Diesmal sind es drei Jungs, die auf dem Klettergerüst rumturnen. „Ich heiße Alberto und bin 11“, stellt sich der Kleinste vor und macht sich sofort zum Wortführer. „Der Park? Klasse. Jetzt können wir hier wieder bolzen. Und der Gärtner hat uns sogar eine neue Schaukel versprochen.“ Klappe und fertig. Reiner Wandler, Madrid