In Mostar gibt es auf allen Seiten nur Sieger

Der Jubel über die gelungene Wahl ist groß. Aber die ethnische Trennung ist nicht überwunden  ■ Aus Mostar Erich Rathfelder

Drei Dinge sind bemerkenswert an diesen ersten Nachkriegswahlen in Bosnien-Herzegowina, die so ruhig verliefen wie Gemeindewahlen in Hinterhausen. Und das ist nicht nur den Panzern der Ifor geschuldet, die an strategischen Punkten der Stadt aufgefahren waren. Die Wahl verlief ohne nennenswerte Zwischenfälle, weil erstens alle politischen Kräfte ein Interesse daran hatten, sie durchzuführen. Und weil zweitens rund 500 Reporter und Fernsehteams angereist waren und jede noch so kleine Provokation die eine oder die andere Seite in schlechtes Licht gesetzt hätte. Und schließlich markiert die Wahl – trotz der berechtigten Kritik an der Verfestigung der ethnischen Trennung – einen Schritt zur Normalisierung.

Noch bevor die Wahlergebnisse veröffentlicht sind, fühlen sich viele als Sieger. Der EU-Administrator Perez Casado sieht die wichtigste Bewährungsprobe der Administration als bestanden an. Jetzt könne die EU über eine Verlängerung oder die Beendigung des Mandats nachdenken. Die internationalen Institutionen – so der Hohe Repräsentant Carl Bildt in Sarajevo – werten die Wahl als gelungenen Vorlauf zu den gesamtbosnischen Wahlen im September. Und die kroatischen Politiker in West-Mostar – zumeist nationalistische Extremisten – können sich jetzt genauso bestätigt fühlen wie ihre muslimischen Kollegen im Osten. Beide haben jetzt die Führung inne. Denn das Wahlsystem war so angelegt, daß zwischen beiden Nationalparteien, der kroatischen HDZ und der muslimischen SDA, eine Machtbalance erhalten bleibt. Die für ein multikulturelles, vereintes Bosnien kämpfende Opposition konnte immerhin an Ansehen gewinnen. Ihrem bosnisch-kroatischen Spitzenkandidaten, dem ehemaligen Direktor des Aluminumwerkes und Exkommunisten Jole Musa, gelang es, das Parteienbündnis im Lande bekannt zu machen. „Auch international wurde bemerkt, daß es nicht nur nationalistische Parteien in Bosnien gibt.“

Auch die Wahlkommission hat ihre Arbeit getan. Zwar waren 20 Prozent der Wähler nicht im Wählerverzeichnis eingetragen. Wegen der kurzen Vorbereitungszeit ist dies nicht weiter verwunderlich, wichtig ist, daß eine Kommission jeden Konfliktfall untersucht. Gewinner sind nicht zuletzt die Flüchtlinge, die im Ausland wählen durften. Mehr noch aber wirkten jene, die zur Wahl anreisten, als Katalysator. Mit ihren Besuchen auf beiden Seiten der Demarkationslinie durchbrachen sie die unsichtbare, psychologische Grenze wenigstens kurzzeitig. „Die Macht der Nationalisten ist auf Angst begründet. Je mehr Kontakte es zwischen den Bevölkerungen gibt, desto mehr schwindet die Angst“, erklärte Michael Steiner, der Stellvertreter von Bildt. Dies sei noch wichtiger als das Wahlergebnis selbst.

Sogar 134 Serben, wenn auch weniger als erwartet, waren mit dem Bus aus Belgrad zur Wahl angereist. Aus dem Karadžić-Gebiet ließen die Behörden dagegen niemanden nach Mostar fahren. Abgesehen von einem Zwischenfall – ein Muslim, der fünf von Serben getötete Familienmitglieder zu beklagen hat, schlug auf einen serbischen Rückkehrer ein – verlief alles ruhig. Daß die Serben sich entschlossen hatten, nach Ost-Mostar zu kommen, weil sie sich dort sicherer fühlten als auf der Westseite, veranlaßte den Ost-Bürgermeister Safet Orusević zu einer positiven Geste. Er erklärte, es stünde sogleich Wohnraum für 166 serbische Rückkehrer im Ostteil der Stadt zur Verfügung.

Doch all dies darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß diese Wahlen die ethnische Trennung zunächst gefestigt haben, da die Extremisten durch die Wahlen legitimiert wurden. Aber jedes andere Wahlsystem hätte den Widerstand der Extremisten hervorgerufen. Und dieses Risiko wollte in der internationalen Gemeinschaft und in der EU niemand eingehen.