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Warnung vor dem Hausmeister

Das hat mir gerade noch gefehlt. Nach bester deutscher Hausmeistermanier will sich ein Providerverein mit einer „Internet Content Task Force“ als Netz- Sheriff aufspielen und „Selbsthygiene“ im Internet betreiben. Deutsche Medienspezialisten und Juristen wollen darüber wachen, was (eventuell vielleicht) Sittlichkeit und Anstand oder gar Gesetze verletzen könnte – ganz so, wie es die mit Lobbyisten aller Couleurs besetzten Presse- und Rundfunkräte tun. Und selbst bei den Anhörungen zum geplanten Multimedia-Gesetz haben sie mitgewirkt – vermutlich, um sich noch beim allerletzten Hinterbänkler anzubiedern und zu erklären, wo es überhaupt langgeht.

Zensurvereine dieser Art sind völlig überflüssig. I shot the Sheriff. Ein Bundesgericht hat für die USA entschieden, daß die Inhalte des Internet weder kontrolliert werden können noch dürfen. Vielleicht ist das ja hier bald anders. Geht es nach dem Willen der Parlamentarier, darf das Netz durchaus kontrolliert werden. In der Praxis wird dieses Ansinnen zwar kläglich scheitern. Wer kann schon überprüfen, was ich mir von einem Server in Helsinki oder sonstwo hole? Nur geht es ja nicht um Neonazis oder Kinderpornos, das sind nur medienwirksame Zugpferde, um Stimmung zu machen. Mit den paar Neonazis werde ich auch allein fertig, und Kinderpornos hab ich keine gefunden – auch nicht, als ich explizit danach suchte. Was natürlich nicht heißt, daß es sie nicht gibt. Aber wenn ich und ein paar andere keine finden, kann die Gefahr so groß nicht sein.

Heute versichern die Sheriffs noch, daß nur eindeutig gesetzeswidrige Inhalte an den Provider- Pranger sollen – vergleichbare Aktionen in privaten Mailboxnetzen haben jedoch gezeigt, daß es dabei nicht bleibt. Da wird dann auch schnell mal etwas wegzensiert, was nicht der Political Correctness entspricht oder schlicht als geschmacklos empfunden wird. Für andere sind solche Sites vielleicht nur schrill, Kunst oder Recherchematerial – wie das „digital home of mass murdering serial killers“ (http://mayhem.net/Crime/archives.html). Und auf http://stsim.com/mdc/under ground/home.html läßt sich leicht überprüfen, wie bescheuert Pornographie im Internet wirklich ist.

Vielleicht sollte ich jetzt auf die Bodysounds-Homepage klicken (http:www.wbm.ca/users/kgreg gai/html/bodymus.html) und mir endlich die gesammelten Fürze anhören. Kein Netz-Sheriff wird mich daran hindern. Ich weiß nicht, welchen Hygieneartikel Ihr freundlicher Provider empfiehlt – Steffi Graf empfiehlt Rexona, und dabei sollten wir es belassen.

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