CSU schützt das ungeborene Leben vor der CSU

■ Die bayerische Landesregierung will Schwangere von der Kürzung der Lohnfortzahlung ausnehmen, obwohl sie auf das Gesetz keinen Einfluß hat

Berlin (taz) – Das ungeborene Leben ist der bayerischen Landesregierung heilig, sie verteidigt es wo sie kann – und sei es auch nur zum Schein. Im Abtreibungsrecht setzt sie derzeit auf landeseigene Verschärfungen. Da kann es natürlich nicht angehen, daß die vom Bundestag beschlossene Kürzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall auf 80 Prozent und des Krankengelds auf 70 Prozent auch für schwangere Frauen gelten soll. Immerhin, so meint Bayerns Sozialministerin Barbara Stamm (CSU), habe der Staat eine besondere Fürsorgepflicht für Schwangere. „Frauen, die sich gegen eine Abtreibung entscheiden, und ihr Kind bekommen wollen, dürfen wir in diesem Punkt unsere Unterstützung nicht versagen.“ Der bayerischen Landesregierung geht es um die Glaubwürdigkeit der eigenen Politik. Mit Hilfe einer Bundesratsinitiative, die am 19. Juli in das Ländergremium eingebracht werden soll, will sie nun dafür sorgen, daß berufstätige Schwangere weiterhin 100 Prozent ihres Lohns und nach sechswöchiger Erkrankung 80 Prozent des Lohns als Krankengeld erhalten.

Die Crux bei der Sache: Im Fall von Lohnfortzahlung und Krankengeld hat der Bundesrat längst keinen Einfluß mehr auf die Gesetzgebung des Bundestags, da das Gesetz nicht zustimmungspflichtig ist. Der sozialpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Peter Ramsauer, sieht der bayerischen Initiative daher „gelassen“ entgegen. Zwischen Bundestags-CSU und bayerischer Staatsregierung gebe es in dieser Frage halt politische Differenzen. Ramsauer betont, er habe für das bayerische Schwangeren-Anliegen zwar großes Verständnis. „Dennoch wollten wir bei der Lohnfortzahlung keine Ausnahmen zulassen, denn dann kommen zig andere, die auch eine Ausnahmeregelung wollen.“ Daß die Gesetzesänderung des Bundestages im Fall von Arbeitsunfällen und anerkannten Berufskrankheiten keine Kürzung der Lohnfortzahlung vorsieht, gilt zudem nicht als Ausnahmeregelung. Hier, sagt Ramsauer, „hat der Arbeitnehmer einen hundertprozentigen Schadenersatzanspruch gegenüber dem Arbeitgeber“.

Die nordrhein-westfälische Frauenministerin, Ilse Ridder- Melchers (SPD), kann dem bayerischen Vorstoß nur wenig abgewinnen: „Wir halten es prinzipiell für falsch, in der Frage der Lohnfortzahlung irgendwelche Versuche zu unternehmen, die Arbeitnehmerschaft zu spalten.“ Gleichzeitig verweist sie auf all die teilzeitbeschäftigten und geringverdienenden Frauen. Für diese sei eine Kürzung der Lohnfortzahlung natürlich in jedem Falle „unzumutbar“. Karin Flothmann