Lübecker Brandanschlag ohne Täter?

■ Anwältin ist optimistisch, daß gegen Safwan Eid kein Prozeß eröffnet wird und bezeichnet Berichte über eine angeblich neue Spur, die zu den ursprünglich verdächtigten Rechtsradikalen führt, als Ente

Berlin (dpa/taz) –Einen Tag nach der Entlassung des angeblichen Brandstifters Safwan Eid aus dem Lübecker Untersuchungsgefängnis hat sich die Rechtsanwältin Gabriele Heinecke optimistisch über die Situation ihres Mandanten geäußert. „Ich bin der Meinung, daß die Akten keine Grundlage für einen Prozeß gegen Safwan Eid hergeben“, sagte sie gestern in Hamburg. Die Entscheidung der Jugendkammer über die Zulassung der Anklage und Eröffung eines Hauptverfahrens wird ihrer Einschätzung „einige Wochen“ in Anspruch nehmen.

Der 20jährige Libanese war am Dienstag nach fünfeinhalb Monaten Untersuchungshaft freigelassen worden. Die Jugendkammer sah bei einem Haftprüfungstermin keinen „dringenden Tatverdacht“ und widersprach damit sowohl der Ansicht der Staatsanwaltschaft als auch anderen Kammern. Eid wird von der Anklagebehörde der schweren Brandstiftung und fahrlässigen Tötung beschuldigt. Er soll laut Anklageschrift am 18. Januar in einem Lübecker Asylbewerberheim ein Feuer gelegt haben, bei dem zehn Menschen getötet und mehr als 30 zum Teil schwer verletzt wurden. Eid hatte diesen Vorwurf immer zurückgewiesen. Gegenüber der taz sagte Heinicke, aus den Akten ergäbe sich nicht, daß einer der vernommenen Zeugen der Staatsanwaltschaft mit den Jugendlichen aus Grevensmühlen Kontakt gehabt habe. Entsprechende Berichte der Junge Welt bezeichnete sie als „eine Ente“.

Die in Berlin erscheinende Zeitung hatte darüber spekuliert, ob die Täter nicht doch in rechtsradikalen Kreisen zu suchen seien. Die Zeitung verbreitete gestern „neue Erkenntnisse“, nach denen es „einen Kontakt zwischen dem Sanitäter L., gegenüber dem Eid angeblich direkt nach der Tat ein Gestädnis abgelegt hatte, und einem Rechtsradikalen gebe. Sie führt einen zweiten Sanitäter an, Matthias H.. Er soll seinem Kollegen L. in der Brandnacht von dem „Geständnis“ des Libanesen berichtet haben – zu einem Zeitpunkt, wo L. angeblich noch kein Wort mit dem Beschuldigten gewechselt haben konnte. Bei jenem H. sollen vor zehn Jahren Pläne für den Aufbau einer Wehrsportgruppe in Lübeck gefunden worden sein. H. soll auch „engen Kontakt“ zu dem Grevesmühlener Maik W. unterhalten haben.

Maik W. und drei seiner Freunde waren kurz nach der Tat verdächtigt worden. Die Staatsanwaltschaft stellte wenige Tage nach den Verhören das Verfahren gegen die Jugendlichen ein, die nachweislich Verbindungen zur rechten Szene haben.

Grundlage für die Aufhebung des Haftbefehls gegen Eid seien laut Anwältin vielmehr die widersprüchlichen Aussagen des Sanitäters L. gewesen. In seiner letzten Vernehmung habe er angegeben, Eid habe ihm gegenüber bereits am Tatort die Brandstiftung gestanden; in der ersten Vernehmung hingegen habe er für das „Geständnis“ einen viel späteren Zeitpunkt genannt. ja/roga