■ Das Weiße Haus in Flammen aufgehen sehen. Pünktlich zum Nationalfeiertag ist in den USA "Independence Day" angelaufen, der neue Science-fiction-Film von Roland Emmerich. Steven Spielberg: Das wird ein Kassenschlager!
: Sie sind irgendwo da

Das Weiße Haus in Flammen aufgehen sehen. Pünktlich zum Nationalfeiertag ist in den USA „Independence Day“ angelaufen, der neue Science-fiction-Film von Roland Emmerich. Steven Spielberg: Das wird ein Kassenschlager!

Sie sind irgendwo da draußen

Beim Surfen auf einer zunächst ganz unscheinbar wirkenden Strecke des Internet trifft man auf ein grünumrandetes Feld mit dem Titel Area 51. Dahinter verbirgt sich ein inzwischen fest etablierter Topos des Untergangs- Pop, der in den einschlägigen US- amerikanischen Fernsehserien („Unsolved Mysteries“, „Outer Limits“, „The X-Files“ oder „Millennium“) längst etabliert ist. Area 51 ist eine supergeheime Anlage in Nevada, wo im Juli 1947, so geht die Sage, einige Ufos niedergegangen und deren Insassen in Staatsgewahrsam genommen worden sein sollen. An ihren sterblichen Überresten hat die Regierung seither „Experimente“ durchgeführt. „Independence Day“, der neue Science-fiction-Film von Roland Emmerich („Stargate“), rankt sich ebenfalls um diese Zone. Er beschreibt den Tag, an dem SIE wiederkommen, um ihre Toten zu rächen.

Steven Spielberg höchstselbst hat die Prophezeiungen losgetreten, was für ein Block Buster „Independence Day“ werden wird: „Ich würde nicht im Traum daran denken, einen Film mit bösartigen Aliens zu machen. Aber ich würde definitiv Geld ausgeben, um mir einen anzusehen. Ich werde zahlen, um mir diesen hier anzusehen. Was ich bisher darüber gehört und gesehen habe, klingt ganz danach, als würde das die Nummer eins des Jahres. Er wird zwischen 250 und 300 Millionen einspielen, wenn nicht mehr.“ Dem Regisseur von „E.T.“, „Unheimliche Begegnung“ und „Jurassic Park“ kann man da wahrscheinlich einiges zutrauen. Die Fox-Aktien an der Wall Street kletterten schon zu Beginn der Woche um zwanzig Prozent. Time Magazine, das dem Film – der in den USA in dieser Woche angelaufen ist – seine Titelgeschichte widmet, hat in typischer Spiegel-Manier gleich das Phänomen dazu ausgemacht: „Die amerikanische Theologie der Fifties – der Glaube der Mittelklasse an die grundsätzliche Vertrauenswürdigkeit der Regierung – ist im Aussterben begriffen. Die Leute fühlen sich von der Regierung belogen, von Firmenchefs mißbraucht, von Computern hinters Licht geführt.“ Hauptdarsteller Jeff Goldblum wundert sich: „In den Testvorführungen sehen die Leute das Weiße Haus in Flammen aufgehen und klatschen.“ Und überhaupt: „Eine eigentlich sehr realistische Darstellung der Gegenwart“, kommentiert Science-fiction-Autor William Solon. „Der Alien ist heute in uns, ein Virus dieser oder jener Art.“ Und auch J. G. Ballard wird zitiert, der Mann, dessen autoerotischer Endzeitroman „Crash“ unlängst von David Cronenberg verfilmt wurde: „Der eigentlich fremde Planet ist heutzutage doch die Erde.“

Mag schon sein, daß die zur Zeit wieder köchelnden Anti-Government-Ressentiments dem Film zusätzlichen Treibstoff liefern. Eher wirkt es aber so, als könnten Regisseure und Publikum gerade in dieser russen- und überhaupt feindesarmen Zeit um so gelassener mit der Pyrotechnik hantieren. Emmerich, den sie zu Hause das „Spielbergle von Sindelfingen“ nennen, und sein Produzent Dean Devlin haben eine Strategie bedient, die sich bei 20th Century Fox unter der neuen Leitung von Rupert Murdoch zur Zeit durchsetzt: weg von seichter Unterhaltungsware wie „Waiting to Exhale“ zum „Event“- Movie, dem „Ereignisfilm“, der Ereignisse enthält und zugleich auslöst.

Dazu paßt auch der Start pünktlich zum Unabhängigkeitstag am 4. Juli. Hollywood hat für diesen Sommer noch einige Filme diesen Zuschnitts auf Lager: „Twister“ ist so einer, über das Leben im Inneren des Orkans; „Mars Attacks“; Michael Crichtons „Sphere“ wird verfilmt, und Paul Verhoeven dreht „Starship Troupers“. Außerdem gibt es die unvermeidlichen Sequels und Remakes zu „Alien“, Star Trek“, und „Lost in Space“.

Die Fachpresse wiegt allenthalben anerkennend das Haupt, denn das Gespann Devlin/Emmerich ist mit ganzen 71 Millionen US-Dollar ausgekommen. Das Schönste an „Independence Day“ sollen denn auch nicht die großen Brandorgien sein, sondern der Moment, in dem die riesigen, vier Kilometer breiten Raumschiffe der Aliens als Schatten zuerst über das Apollo- 11-Monument auf dem Mond rauschen und dann hoch an der Fassade des Weißen Hauses und des Empire State Building.

Die Filmemacher hätten es am liebsten, „Independence Day“ würde funktionieren wie H.G. Wells' „The War of the Worlds“, ein Roman, der vor allem durch Orson Welles' berühmte Radioshow von 1953 bekannt wurde, die vor dem Überfall sogenannter Martianer warnte und eine Massenpanik auslöste. „Independence Day“ erzählt in atemlosem Wochenschautempo von drei Tagen, beginnend mit dem 2. Juli. Der Präsident Whitmore (Bill Pullman), ein ehemaliger Kampfpilot, macht sich vor allem deshalb Sorgen um die anrückenden Schatten, weil seine Frau nicht bei ihm in Washington ist (warum haben sie ihn nicht gleich „Whitewater“ genannt?). Das klassische Stereotyp des New Yorker Computergenies gibt Jeff „Die Fliege“ Goldblum, der in den Code der Aliens eingehackt und festgestellt hat, daß sie nichts Gutes mit uns vorhaben. Seine Exfrau hat Kontakt zum Weißen Haus, und so kommt es, daß der jiddelnde Computerfreak und der Präsident im atemlosen Wettkampf gegen die Aliens zusammenfinden, nachdem diese mit ihren Feuerstrahlen bereits Washington, New York, Los Angeles, Paris und Moskau zerschmolzen haben. In das Drehbuch sind – typisch für die „Event“-Filme – vier Wochen Bedenkzeit eingegangen, in die Aktionen 13 Monate. Das macht sich bemerkbar. Nicht nur fragt man sich, warum solche hochintelligenten Aliens 90 Milliarden Lichtjahre fliegen, um hier einen solchen Krach anzufangen (Area 51!). Man wundert sich auch ein bißchen, daß der Präsidentenberater so schwuchtelig ist und die Stripperin so ein goldenes Herz hat und überhaupt alles, was geredet wird, so allerliebst vertraut klingt. Aber wie sagte Dean Devlin so nett? „Wir wollten einfach eine Hommage filmen an all die Filme, die wir lieben: An „2001“, „Dr. Seltsam“, „Der Tag, an dem die Erde stillstand“, „Apollo 13“, „Top Gun“, „Alien... Mariam Niroumand

„Independence Day“ startet am 19. September in den deutschen Kinos