■ Nachschlag
: "Die Seereise" - Theater nach Texten von Sonia Solarte

Zwei Klaviere sorgen für die musikalische Einstimmung, dann rumst ein Koffer auf die Bühne, international verständliches Symbol für jede Art von Reise. Seine Besitzerin, eine Frau im schwarzen Kleid, schaut sich schreckhaft nach allen Seiten um, wehrt mit dem Koffer unsichtbare Bedrohungen ab. „Ich komme aus dem Süden“, erklärt sie, und in den Ländern, wohin sie kam, gab es „für Menschen wie mich keine Zukunft“. Eine zweite Frau betritt die Bühne, mit Koffer und dem gleichen Kleid in Weiß. Neugierig und staunend erobert sie den Raum, wiederholt die Worte der anderen auf spanisch. So verschieden wie die Sprachen wirken auch die ungleichen Zwillinge: ein Spiegel, der das Bild auf den Kopf stellt.

In „La Travesia – Die Seereise“ setzen sich Alma Bolivar und Darinka Ezeta mittels poetischer Texte der kolumbianischen Dichterin Sonia Solarte mit Ortswechsel, Fremdsein und Anpassung auseinander. Ihre eigene Ankunft in Berlin ist schon länger her: Die Chilenin Alma Bolivar lebt seit drei Jahren hier, die Mexikanerin Darinka Ezeta seit fünf Jahren. Seitdem sind beide Mitglied von Taller Teatral (Theaterwerkstatt), einer lateinamerikanischen Gruppe, die zuletzt mit einer Hommage an Garcia Lorca auftrat.

Regisseurin Bolivar hat offenbar eine Vorliebe für lyrische Texte. Deren wortwörtliche Übersetzung ins Deutsche führt zwar vor, wie mühselig es ist, eine fremde Sprache zu lernen, klingt aber oft fürchterlich hölzern und ziemlich verquast: „Er eignete sich meine eigenen Formen der Abwesenheit an.“ Befremdlich bleibt auch die theatralische Umsetzung des Gedichts „Wir sind Partikel einer imaginären Zeit“, das mit dem Reisethema nichts mehr zu tun hat. Nach einem koketten Striptease öffnen beide Frauen ihre Koffer, ziehen Karnevalskostüme und Masken hervor, verkleiden sich und gehen damit – buh, jetzt erschreck' ich dich – aufs Publikum los. Anschließend werfen sie die Kostüme wieder ab, und Darinka Ezeta wälzt sich im Klamottenberg. Poetisch verbrämt wird die Gymnastik durch Sätze wie „Eine junge Indianerin mischt in einem purpurfarbenen Kästchen die Asche ihres Glaubens“. Es folgen künstlerische Dias der Darstellerinnen, die die Idee der Reise wieder herbeizwingen sollen und, da die beiden dort nackt auf einem Dach spazieren, zur nächsten Szene überleiten, die, mutig, mutig, ganz ohne Kostüm im Kerzenlicht gespielt wird. Anschließend weint die eine, die andere lacht, und es heißt: „Liebe diese Stunde, die die deine ist.“ Kurz danach ist die einstündige Seereise auch schon um, die Schauspielerinnen bedanken sich artig, das Publikum klatscht höflich, und unsere Wege trennen sich wieder. Anne Winter

Bis 11. 7., 21 Uhr, im Kulturhaus Spandau, vom 12.–14. 7., 22 Uhr im Café Bellevue, Flensburger Straße 11–13