SchülerInnen lernen zweisprachig parlieren

■ Ist die interkulturelle Erziehung in der Schule bereits Normalität geworden? Braucht die dritte Generation der AusländerInnen noch muttersprachlichen Ergänzungsunterricht?

Griechisch als Abiturfach: Das Leibniz-Gymnasium in Düsseldorf hat vor fünfzehn Jahren als erstes Gymnasium bundesweit diesen Versuch unternommen. Die derzeit über hundert jungen griechischen SchülerInnen wollen vor allem auch ihre Herkunftssprache und -kultur lernen. Ab der 5. Klasse werden sowohl griechisch- orthodoxe Religionslehre als auch Erdkunde, Geschichte oder Politik in Griechisch erteilt.

Tatsächlich aber beteiligen sich fast nur griechische Kinder bzw. solche aus binationalen Ehen daran. Während das Modell von den Griechen sehr begrüßt wurde, fürchteten einige LehrerInnen, daß die Integration der griechischen SchülerInnen leidet, wenn sie für einen Teil des Unterrichts von ihren Mitschülern abgesondert werden. „Dem widersprechen nicht nur Untersuchungen solcher Modelle“, sagt die griechische Lehrerin Yannidakis-Hanne, „sondern auch der Werdegang unserer Absolventen: 90 Prozent von ihnen studieren in Deutschland oder in Griechenland.“ Das Modell mit einer „Migrantensprache“ als Schwerpunkt bringt vordergründig den Migrantenkindern Vorteile.

In Stommeln wird seit 28 Jahren ein anderes bilinguales Modell praktiziert. Die Papst-Johannes- XXIII.-Schule ist bundesweit die einzige deutsch-italienische Gesamt- und Ganztagsschule mit einem Internat. Die vom Bistum Köln geführte Schule wird vom Land NRW und vom italienischen Konsulat finanziert. Italienische und deutsche sowie einige portugiesische, kroatische und rumänische SchülerInnen besuchen zur Zeit den durchgehend zweisprachig konzipierten Unterricht. Ab der 5. Klasse werden die naturwissenschaftlichen Fächer in Deutsch und die gesellschaftstheoretischen Fächer in Italienisch unterrichtet. Zur Unterstützung der jeweiligen Sprache gibt es bis zu sieben Stunden pro Woche Förderunterricht.

Von diesem Modell profitieren nicht nur SchülerInnen italienischer Herkunft, sondern auch deutsche. Denn so wird die zweisprachige und multikulturelle Kompetenz der SchülerInnen gefördert und erweitert. „Unsere Absolventen finden alle bei deutschen und italienischen Unternehmen eine Lehrstelle“, weiß Hans-Georg Rabe, der mit einem italienischen Kollegen die Schule leitet.

Dem Bericht der Ausländerbeauftragten der Bundesregierung von 1995 zufolge besuchten im Jahr 1993 rund 1,2 Millionen SchülerInnen mit ausländischem Paß die allgemeinbildenden und beruflichen Schulen. Rund 70 Prozent wählen den Muttersprachlichen Ergänzungsunterricht (MEU), in der Regel bis zur 6. Klasse. Die Zahlen unterstreichen den großen Bedarf, obwohl der MEU überwiegend außerhalb des Regelunterrichts klassen- und schülerübergreifend organisiert ist.

Die im Auftrag der NRW-Landesregierung erstellte Kienbaum- Expertise vom Februar 1996 hat besonders unter den ausländischen Lehrkräften und Eltern für Unruhe gesorgt. „Bei tendenziellem Rückgang der Zuwanderung, 1994 noch 53 Prozent der Werte von 1989, sind viele nichtdeutsche Kinder der zweiten oder dritten Generation bereits weitgehendst integriert und bedürfen keiner spezifischen Angebote mehr, wobei die Absolutzahl der ausländischen Schüler immer noch leicht steigt“, so die Expertise.

Theodor Verhoven, Referent für Migrationsfragen im Ministerium für Schule und Weiterbildung (MSW) in NRW, widerspricht dieser Einschätzung: „Der Bedarf an muttersprachlichem Unterricht ist nach wie vor vorhanden. Denn dadurch können ausländische Kinder und Jugendliche ihre Herkunftssprache erlernen und in ihrer Identitätsbildung unterstützt werden. Wir sind dabei, das MEU-Sprachangebot zu erweitern – auf Russisch und Polnisch.“ In manchen Bundesländern werden auch andere Sprachen angeboten, beispielsweise Kurdisch in Bremen und Niedersachsen.

Zu den größten Problemen der MEU-Angebote gehört der berufliche Status der ausländischen Lehrkräfte. „Gegenwärtig sind sie Ein-Fach-Lehrerinnen und -Lehrer, Spezialisten für Muttersprache, gern oder weniger gern gesehene Aushilfskräfte“, so Dr. Eike Thürmann vom Landesinstitut für Schule und Weiterbildung in Soest. Eine Umstrukturierung des MEU ist nach Meinung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), von Schulexperten sowie der ausländischen Lehrkräfte notwendig. Zum Beispiel durch ausländische LehrerInnen der zweiten Generation, die in Deutschland für das Lehramt ausgebildet worden sind. Seit einem Jahr gibt es an der Uni Essen den Studiengang „Türkisch als zweite Fremdsprache“. „Über tausend Anfragen von Interessenten haben wir registriert“, sagt der wissenschaftliche Angestellte Dr. Johannes Mayer-Ingwersen. „Anfangs haben wir rund 180 Studienplätze vergeben. Im zweiten Semester mußten wir leider aufgrund des großen Andrangs einen Numerus clausus einführen.“ Janna Titoki