Nirostas Zuckerhutgebirge

■ Die Anlehnfläche Neil Young kommt mit Bob Dylan als Vorprogramm / Die Sterne aus Hamburg und Dave Matthews komplettieren das Minifestival

Neil Young hat Broken Arrow zweimal aufgenommen. Ende der Sechziger mit Buffalo Springfield, damals als Stück, das die optimistische Folk-Melancholie von Stephen Stills' Band um einige auslaufende Bremsflüssigkeit bereicherte. Und 1996 als weitere Sockelhebung des albernen Denkmals für den „Opa des Grunge“, als Album.

Dazwischen durchlebte der Mann mit der Frisur, die außer Romeros Zombies keiner tragen würde, eine kurvenreiche Geschichte. Youngs Bekämpfung seiner Epilepsie und Einsamkeitsangst mit Heroin schlug an der Leitplanke des Todes Funken, aber da er die Kontrolle über seine Musik nicht verlor, trug ihn seine Starrköpfigkeit mit brennenden Reifen in die Hall of Fame. Lobende Worte für Ronald Reagan, einen Patrioten, der nur das Beste für Amerika wolle, zerstörten den Mythos Youngs ebensowenig wie die Beschimpfung als „Reformator der Wehleidigkeit“ nach der Platte Harvest.

Denn immer wieder gelangen dem sowohl auf der Gitarre wie mit seiner Stimme näselnden Anti-Freak Stücke, die mehrere Generationen von Klampfbrüdern in die ehrliche Rockmusik einführten.

Dabei waren Lieder wie „The Needle And The Damage Done“, „Sugar Mountain“, „Hey Hey, My My“ oder „Rockin' In The Free World“ keineswegs nur warme Brötchen für hungrige Idioten. Youngs konsequente Inszenierung des Lonesome Hero entpuppte sich beim zweiten Hinhören immer als eine Haltung zur Welt, die deren professionelle Dynamik mit der Treffsicherheit kindlicher Naivität kritisierte und dabei wunderbare Poeme fand.

Seinem aktuellen Album fehlt ein derartiger Zuckerhut. Broken Arrow ist mehr die Sammlung leerer Flaschen, die einst Original-Neil-Young-Drogen beinhalteten. Bei anderen sogenannten Rock-Legenden spricht man in solchen Zusammenhängen von der greisen Reproduktion ihrer selbst. Bei Neil Young aber muß man mit derartigen Autodafés vorsichtig sein. Denn so oft er abgeschrieben war, so oft kam er wieder, und sei es auch durch die familiäre Annexion einer elternlosen Generation von jungen, amerikanischen Rockgitarristen, die auf der flehentlichen Suche nach einer Anlehnfläche Mitte der Neunziger endlich fündig wurden.

Begleitet wird Young von Robert Zimmermann, der durch die Mystifizierung des Nirostas Young ein wenig ins Hinterlicht der Aufmerksamkeit gefallen ist. Denn Bob Dylan hat gegenüber Neil Young das Manko, daß er keine neue Sprache im Alten findet. Ein Klassiker für die Neunziger wie „Rockin' In The Free World“ ist Dylan einfach bis jetzt schuldig geblieben und so ist er inzwischen mehr ein Gärtner für Nostalgie und Vollbartwuchs.

Eröffnet wird das Minifestival von der Hamburger Band Die Sterne, die ab 16 Uhr wohl erstmals einer derartig riesigen Kulisse gegenüberstehen werden. Nach Dave Matthews wird Dylan um 18.30 Uhr, Neil Young um 20.30 Uhr auftreten.

Till Briegleb

Sa, 13. Juli, 16 Uhr, Trabrennbahn am Volkspark