"Da ist es sehr schön"

■ Mit den "Tagesthemen" auf Tour: Christiansen, Wickert und Co. machen Urlaub im Osten und stellen nebenbei Land und Leute vor. Ulrich Wickert erklärt, warum

In der Diskussion um Einsparungen bei den Rundfunkgebühren beschreitet „Tagesthemen“- Chefredakteur Ulrich Deppendorf völlig neue Wege: Damit sich der bezahlte Urlaub seiner Nachrichtentruppe auch für die ARD rechnet, schickt er sie einfach mit dem Truck durch die neuen Bundesländer, von wo sie sich täglich melden müssen, um ihre schönsten Ferienerlebnisse „Tagesthemen“-kompatibel wiederzugeben. So will Deppendorf nicht nur mit volkstümlichen Themen das Sommerloch stopfen, sondern auch die miese Quote in den neuen Bundesländern steigern. Seit Montag düsen Ulrich Wickert und Sabine Christiansen durch den Osten, um Land und Leute vorzustellen. Als würde die noch niemand kennen. Mit auf dem Bock sind übrigens auch Eva Hermann und Jan Hofer. Heute geht's nach Frankfurt (Oder) und dann über Berlin Richtung Chemnitz. Zum Beginn der „Tagesthemen“-Tournee sprach Gunnar Leue mit Ulrich Wickert.

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taz: Warum gehen die „Tagesthemen“ gerade jetzt auf Werbetour durch die neuen Länder?

Ulrich Wickert: Ich war vor einem Jahr im Urlaub auf Rügen und Hiddensee und kam begeistert nach Hamburg zurück. In der Redaktion erzählte ich dann: Kinder, ihr wißt gar nicht, wie schön es da ist. Nachdem wir in den letzten zwei Jahren längere Reportagereisen unserer Amerika- und Rußlandkorrespondenten in der Sendung hatten, fragte ich, warum wir nicht mal so eine Reise durch die östlichen Bundesländer machen. Da gibt es so viele schöne Sachen, die vor allem viele Leute im Westen gar nicht kennen. So wurde die Idee geboren. Die Umsetzung dauerte dann ein halbes Jahr, weil eine ungeheure Planung erforderlich ist.

Sie wollen in den zwei Wochen ostdeutsche Themen ausführlicher behandeln, welche zum Beispiel?

Ganz verschiedene, es kommt immer auf die Orte an, wo wir gerade Station machen. Auf jeden Fall wollen wir nicht nur die Probleme im Osten zeigen, sondern auch Erfolge. Natürlich werden politische Themen behandelt, aber jeden Tag soll auch ein Beitrag über die Schönheiten einer Gegend oder Stadt gezeigt werden.

Der Abstecher der Redaktion soll ja nicht nur für die neuen Länder werben, sondern vor allem für Ihre Sendung, die im Osten weniger populär ist als im Westen. Um wieviel weniger eigentlich?

Unser Zuschaueranteil liegt in den neuen Ländern rund ein Drittel niedriger als der in den alten.

Wie erklären Sie sich das?

Das hängt damit zusammen, daß man im Osten grundsätzlich mehr die privaten Programme sieht. Ich kann mir vorstellen, daß man aufgrund der Erfahrungen mit dem DDR-Fernsehen dort jetzt lieber lockere und leichte Nachrichtensendungen bevorzugt.

Berichten die „Tagesthemen“ vielleicht zu wenig aus dem Osten? Sie selbst hatten ja vor einiger Zeit moniert, manche Angebote aus den östlichen ARD-Anstalten seien qualitativ nicht so gut und fänden deshalb keine Berücksichtigung. Hat sich das geändert?

Auf jeden Fall. Aber ein Mangel an der Präsenz Ostdeutschlands in der Sendung kann ja kein wirklicher Grund für unsere geringere Quote im Osten sein. Die häufiger gesehenen Privaten berichten ja nun kaum aus dem Osten, es sei denn, da passiert ein großer Banküberfall oder ähnliches.

Was kann überhaupt von so einer Osttournee bleiben, wenn die „Tagesthemen“-Mannschaft danach schnell wieder in den Nachrichtenalltagstrott gerät?

Ich nehme an, daß nach der Tour viele in der Redaktion ein etwas anderes Bewußtsein haben werden. Das Gute ist doch, daß dieses verstärkte Hingucken auch zu größerer Sensibilität führt.

Wie gut kennen Sie sich persönlich in Ostdeutschland aus?

Ich fahre häufig dorthin und entdecke oft Dinge, die der öffentlichen Meinung widersprechen. Zum Beispiel war ich einmal mit Günter Grass in Neuruppin, der Heimatstadt Fontanes. Da hat uns der PDS-Bürgermeister zum Essen eingeladen und nebenbei die ganze Problematik erzählt, wie dort Politik gemacht wird. In der großen Politik heißt es ja immer: Faßt diese Leute bloß nicht an. Aber wenn man dann da ist und erfährt, warum so ein Mann gewählt worden ist, wird man sensibler und versteht manches besser. Ich war auch mehrmals bei der Leipziger Buchmesse, wo ich ebenfalls mit Leuten reden konnte, die eben sehr viel besser darstellen können, was im Osten wirklich passiert.

Warum interessiert Sie der Osten so sehr?

Das hat auch familiäre Gründe, denn mein Vater stammt aus dem Land Brandenburg. Deshalb bin ich öfter hier unterwegs und engagiere mich auch ein wenig. Mit Regine Hildebrandt habe ich zum Beispiel das Brandenburgische Sozialwerk, eine Stiftung, gegründet.

Werden Sie bei Ihren Liveschaltungen aus dem Osten auch mit speziellen Anekdoten vorm Wetterbericht aufwarten?

Das müßte man eigentlich machen.