Häuserkampf in Norderstedt

■ Wohnungsbesetzung für ein selbstverwaltetes Jugendzentrum an der Hamburger Grenze / Stadt will Obdachlose unterbringen

Eigentlich schien in Norderstedt alles klar. Das heruntergekommene Haus in der Ulzburger Straße 6, so waren sich SPD und Grüne einig, sollte schnellstmöglich zum selbstverwalteten „Sozialen Zentrum“ werden. Doch Anfang der Woche sickerte durch, daß die Stadt in einem Teil des Hauses „vorübergehend“ eine obdachlose siebenköpfige Familie unterbringen will. Die Folge: Seit Dienstag ist die umkämpfte Wohnung von knapp zwanzig Jugendlichen, die sich im „Häuserplenum Norderstedt“ organisiert haben, besetzt.

Das Häuserplenum will damit der Forderung Nachdruck verleihen, daß dem Zentrum endlich die in Aussicht gestellten Räume übergeben werden. Denn derzeit logiert das autonome Politik- und Kulturzentrum noch in einem 60 Quadratmeter kleinen Flachbau im Hinterhof der Ulzburger Straße. Hier konnten die Jugendlichen erst nach einem dreijährigen, von mehreren Besetzungen begleiteten Polit-Poker im September 1995 einziehen.

Da der Mini-Flachbau aus allen Nähten platzt, empfahl der Norderstedter Jugendausschuß im April dieses Jahres, dem TrägerInnenverein des sozialen Zentrums auch das Vorderhaus zu überlassen. Freiwerdende Wohnungen des heruntergekommenen Altbaus sollten dem Verein zum Nulltarif überlassen werden, der im Gegenzug das Haus aus eigenen Mitteln instandsetzen und ohne staatliche Förderung ein vielfältiges Freizeitangebot in den Räumlichkeiten etablieren wollte.

Seitdem herrscht Funkstille. Die Norderstedter Verwaltung tat keinen Handschlag, um konkrete Miet-Verhandlungen mit dem Sozialen Zentrum aufzunehmen. Statt dessen wurde eine gerade erst freigewordene Wohnung in der Ulzburger Straße den Obdachlosen angeboten. Daß es jetzt „gegen wohnungslose Menschen ausgespielt“ werden soll, wird im autonomen Zentrum „als neuer Höhepunkt der jahrelangen Verschleppungstaktik“ der Behörden empfunden.

Eine erste Verhandlungsrunde nach der Besetzung brachte den Jugendlichen am Donnerstag zumindestens einen Teilerfolg. Liegenschaftsabteilung und Jugendamt boten dem Zentrumsverein eine andere Wohnung in dem umkämpften Haus an. Doch statt eines Mietvertrages sollen die Jugendlichen nur einen rechtlich kaum bindenden Nutzungsvertrag erhalten, der jederzeit kündbar und auf zwei Jahre begrenzt ist. Gestern nun entschied das Häuserplenum, daß dieses Angebot „nicht ausreichend“ sei. Die Besetzung soll fortgesetzt werden.

Im umkämpften Vorderhaus plant das autonome Zentrum einen Info-Laden, eine Food-Kooperative für ökologisch angebaute Nahrungsmittel und mehrere Frauenräume. Während die rot-grüne Mehrheit im Stadtparlament grundsätzlich für das Projekt ist, wittern die konservativen Zentrums-Gegner nun eine „zweite Hafenstraße“ in Norderstedt. mac